Verwichtelt im Schulgarten

Puh stand inmitten des Schulgartens und trat ungeduldig von einem Fuß auf den anderen. Gerade warf er wieder einen missmutigen Blick auf seine Taschenuhr, als lautstarkes Geplapper zu seinen Ohren vordrang.

„Kommt ihr auch endlich“, brummelte der Wichtel und sah seine Schüler verdrossen an. Schließlich war es schon kurz nach acht und die Schulgartenstunde hatte exakt vor fünf Minuten begonnen. „Entschuldige“, sagte Willy Kauz, „aber die drei Hasenkinder mussten sich auf dem Weg hierher unbedingt noch um einen Tannenzapfen balgen.“ „Und ich hab’ ihn gekriegt“, verkündete Schnuffi mit stolz aufgestellten Hasenohren. „Und wo ist er jetzt?“, fragte Langöhrchen und sah seinen Bruder herausfordernd an. „Ich hab’ ihn wohl verloren“, erwiderte Schnuffi zerknirscht, nachdem er vergeblich seine Schürzentaschen durchsucht hatte, und senkte Blick und Ohren. „Der kann ja noch nicht einmal auf einen Tannenzapfen aufpassen“, kicherte Spitznäschen, „nur die Flöhe in seinem Hasenfell, die verliert er nie.“ „Ich hab’ doch keine Flöhe“, wurde Schnuffi fuchsteufelswild und wollte sich auf seinen Bruder stürzen. Da schrie Puh: „Aufhören! Sofort aufhören! Wenn jetzt nicht augenblicklich Ruhe ist, werdet ihr heute zur Frühlingszwiebelernte eingeteilt!“ „Nicht schon wieder Zwiebeln“, jammerte Spitznäschen. Schon vor drei Tagen hatten die Hasenkinder Zwiebeln ernten müssen. Damals hatten sie sich wenigstens noch um einen Apfel gestritten. Aber nun? Zwiebeln ernten wegen eines Tannenzapfens, den Schnuffi obendrein noch verloren hatte? Ging das nicht ein bisschen zu weit? „Das kommt von eurer dummen Streiterei“, erklärte Langöhrchen klug und verständig, so als ob er damit nun überhaupt nichts zu tun hatte. „Bei unserem Streit um den Tannenzapfen warst du vorhin ganz vorn mit dabei und nun schiebst du uns allein die Schuld dafür in die Schuhe!“, brüllte Spitznäschen und sah seinen Bruder aus blitzenden Augen an. „Genau! Der hat sogar angefangen!“, wusste Schnuffi sehr lautstark zu berichten und baute sich drohend vor Langöhrchen auf. „Zwiebeln! Sofort! Alle drei und ohne Widerworte, sonst gibt es für jeden von euch einen Eintrag ins Muttiheft, aber einen saftigen“, sagte Puh streng. Die Hasenkinder trollten sich davon. Einträge ins Muttiheft hatten immer Kartoffeln schälen, Möhren putzen und Zimmer aufräumen zur Folge. Das mussten sie unbedingt verhindern. Der Wichtel atmete erleichtert auf.

„Was sollen wir denn heute machen?“, fragten die Maulwürfe Grabi und Schaufelchen. „Ihr begießt die Mohrrüben und jätet ein wenig zwischen den Tomatenpflanzen. Und vergesst das Unkraut nicht auszuzupfen.“ „Dann graben wir die Tomatenpflanzen am besten gleich mit aus, die zählen doch eigentlich auch zum Unkraut“, meinte Schaufelchen. „Untersteht euch“, ermahnte sie Puh, „und jetzt zu dir Stachelchen.“ Der Igel sah ihn aus großen braunen Augen skeptisch an. Hoffentlich nicht wieder die Radieschen ... Dann hörte er den Wichtel sagen. „Du kümmerst dich um die Radieschen und erntest sie in dieses Körbchen hier.“ Und gleich darauf hatte er eins in der Igelpfote. „Guri und Guru, ihr hübschen Täubchen, ihr zupft das Unkraut in den Blumenbeeten“, erteilte der Wichtel seine nächste Anweisung. Die beiden Tauben nickten, gurrten zufrieden und entschwanden. „Hüpf“, sagte der Wichtel zum Eichhörnchen, „du rechst gemeinsam mit Paul Kauz das Laub zusammen.“ Hüpf und Paul schnappten sich jeweils einen Rechen und flitzten eilig davon, bevor sich Puh noch eine schlimmere Beschäftigung für sie einfallen lassen konnte. Schließlich hatte der Wichtel noch niemanden für den Spinat eingeteilt. „So jetzt brauchen wir noch eine Aufgabe für Willy“, sagte Puh und ließ seine Blicke durch den Schulgarten schweifen. „Ich helfe den Hasen“, verkündete Willy schnell, der befürchtete schon wieder die Spinatpflänzchen gießen zu müssen. Seinetwegen konnte der Spinat bleiben, wo der Pfeffer wächst, wo auch immer das war. „Willy, mein Freund, du gießt den Spinat und kümmerst dich ums Unkraut.“ „Das ist doch dasselbe“, murmelte der Kauz, „sobald ich mich um den Spinat kümmere, kümmere ich mich ganz automatisch ums Unkraut.“ „Das hab’ ich überhört“, knurrte der Wichtel, der kein Verständnis für Willys Abneigung gegen Spinat aufbringen konnte. Schließlich war Spinat doch so gesund. Der Kauz verkrümelte sich flugs, bevor ihm Puh wieder Vorträge über Eisen, Spurenelemente und Vitamine hielt. Spinat war für Willy nur zu genießen, wenn reichlich Würmer darin herumkrabbelten. Und das war eher selten der Fall. Würmer hatten schließlich einen ausgezeichneten Geschmack.

„So und jetzt zu dir Zwitschi“, sagte Puh und sah sich nach dem kleinen blauen Vogel um, „wo steckst du denn bloß?“ „Zwitschi kommt ein bisschen später!“, rief Stachelchen vom Radieschenbeet herüber, „der wurde als Preisrichter beim Schönheitswettbewerb der Marienkäferfräuleins benötigt.“ „Zwitschi wurde was?“, fragte Puh verblüfft. „Sprichst du von mir?“, erkundigte sich eine fröhliche Vogelstimme, und als Puh in die Richtung blickte, aus der sie aufgeklungen war, sah er etwas kleines Blau gefiedertes herbeischweben. „Hallo, du Oberbummler“, begrüßte er Zwitschi. „Was kann ich dafür, die Marienkäferfräuleins mussten heute Morgen unbedingt ihre Schönheitskönigin küren und brauchten einen neuen Preisrichter, da Herr Hummel gestern zu viel Honigwein genossen hat und jetzt alles doppelt sieht. Also habe ich kurzerhand stellvertretend dieses verantwortungsvolle Amt übernehmen müssen.“ „Und wieso veranstalten die Marienkäferfräuleins überhaupt einen Schönheitswettbewerb? Sie sehen doch alle gleich aus“, meinte Puh. „Eben darum bist nicht du zum Preisrichter berufen worden, sondern ich. Mein geschultes Auge hat die feinen Unterschiede bemerkt und deshalb ist mir eine objektive Wertung gelungen“, brüstete sich Zwitschi. „Und die Unterschiede wären“, zeigte sich Puh interessiert. „Na ja, also weißt du, zum Beispiel haben einige der Marienkäferfräuleins an den Beinchen, ach das lässt sich jetzt auf die Schnelle so schlecht beschreiben ... Wenn du genau hinsiehst, wird es dir bestimmt auffallen ... Da sind so winzig kleine ... Na ja, jedenfalls gibt es jetzt eine verdiente Siegerin namens Rubinia“, beendete Zwitschi sein Gestotter und Puh wusste nur zu gut, dass der kleine Vogel auch nicht wusste, weshalb er Rubinia und nicht eine der anderen Teilnehmerinnen zur „Miss Marienkäfer“ gekürt hatte. „Und damit du nicht aus der Übung kommst, habe auch ich eine besonders verantwortungsvolle Aufgabe für dich“, bemerkte Puh äußerst spitzfindig, „kümmere dich bitte um den Salat.“ Zwitschi verzog das Gesicht: „Wann züchten wir endlich Sträucher mit Schokoladenbonbons“, seufzte er und flatterte davon.

„Was macht ihr denn da!“, schrie Puh und rannte zu den Maulwürfen hinüber, die das Gewächshaus mit den Tomaten in einen kleinen See verwandelt hatten. Unablässig lief Wasser aus dem Gartenschlauch und von Zeit zu Zeit bückten sich Grabi und Schaufelchen, hoben etwas auf und steckten es in ihre Schürzentaschen. Der Wichtel drehte kurz entschlossen den Wasserhahn ab und baute sich vor ihnen auf. „Was soll das?“, zischte er wütend. „Ganz ruhig Puh, bleib entspannt“, sagte Grabi gelassen, „wir locken nur die Regenwürmer aus dem Erdreich.“ „Ihr macht was?“, Puh glaubte sich verhört zu haben. Außerdem konnte er überhaupt nicht nachvollziehen, wozu das, was er verstanden hatte, gut sein sollte. Da kroch ein Regenwurm aus Schaufelchens Schürzentasche und versuchte sich mit einem halsbrecherischen Sprung ins Freie zu retten. „Ich glaub’s nicht! Ihr habt ja tatsächlich ...“, Puh schlug die Hände vor die Augen. „Was regst du dich so auf. Die Regenwürmer kann man gut in unseren Gängen horten und dann Scheibchen für Scheibchen vertilgen“, erklärte Schaufelchen. „Zuerst beißt man ihnen die Köpfe ab, damit sie nicht mehr weg können und dann landen sie Häppchen für Häppchen ...“, ergänzte Grabi die Ausführungen seines Bruders. „Hört auf! Ich will davon nichts hören“, unterbrach sie der Wichtel und dann griff er beherzt in die Schürzentaschen der Maulwürfe und schenkte den gefangenen Regenwürmern die Freiheit. „Und wenn ich euch noch einmal beim Einsammeln dieser wundervollen Geschöpfe erwische, übernehmt ihr die Knoblauchernte“, drohte er und lief zu den Tauben, die offenbar ein großes Problem hatten. Schaufelchen und Grabi warfen sich erstaunte Blicke zu. Außer ihrem guten Geschmack hatten Regenwürmer nichts Wundervolles an sich, fanden die beiden Maulwürfe. Aber Wichtel dachten darüber wohl wieder einmal ganz anders.

Inzwischen war Puh beim Blumenbeet angekommen. „Na, ihr zwei, was gibt’s?“, erkundigte er sich. „Die Glockenblumen sind kaputt“, sagte Guri traurig. „Die Glockenblumen sind was? Sie blühen doch in voller Pracht“, wunderte sich Puh. „Hör doch mal“, sagte die Taube und stieß mit dem Schnabel gegen eine der Blüten. „Ich höre nichts“, sagte der Wichtel. „Das ist es ja eben“, erklärte Guri. „Und mit den Schlüsselblumen stimmt auch etwas nicht. Jede Blüte habe ich abgesucht und in keiner ist ein Schlüsselchen“, beschwerte sich Guru. „Ja klar und als Nächstes erzählt ihr mir, dass die Gänseblümchen nicht schnattern und die Katzenminze nicht schnurrt“, schmunzelte der Wichtel, der nicht gewillt war den beiden Tauben auf den Leim zu gehen. „Aber woher weißt du das?“, wunderte sich Guri und sah ihn mit fragenden Augen an. „Zwergengeheimnis“, feixte Puh, der sich köstlich amüsierte. „Fast keines unserer Pflänzchen gedeiht, wie es soll. Aus den Butterblumen tropft keine Butter, die Löwenmäulchen brüllen nicht, unter der Fetten Henne liegen keine Eier und nach der Wilden Ochsenzunge fragst du besser erst gar nicht“, stellte Guru resigniert fest und ein paar Tränen kullerten ihm aus den Augen. Nicht schlecht. Die Vorstellung der beiden Tauben war nicht übel. Sie schauspielerten großartig. Puh lachte. Doch als er die entgeisterten Blicke seiner weiß gefiederten Schüler auf sich ruhen sah, fragte er. „Ihr scherzt doch, oder?“ „Durchaus nicht“, entgegnete Guri und Guru nickte. Der Wichtel kratzte sich irritiert am Bart. Wie konnte es sein, dass seine Schüler so unglaublich dumm waren ... Was war in seinen Unterrichtsstunden schiefgegangen? Doch er hatte keine Zeit mehr für seine Überlegungen, denn Stachelchen machte sich mit ein paar Handvoll Schnittlauch und Petersilie auf den Weg zum Komposthaufen.

„Halt! Halt! Was machst du da“, hielt der Wichtel den kleinen Igel auf. „Ich bringe das Unkraut auf den Kompost.“ „Das eine ist Schnittlauch und das andere ist Petersilie“, belehrte ihn Puh. „Und? Soll ich jetzt auch noch das Unkraut beim Namen nennen, bevor ich es kompostieren darf?“, fragte Stachelchen verdattert. „Das ist kein Unkraut. Das sind Kräuter.“ „Kräuter, Unkraut, wer soll denn da den Durchblick behalten“, murmelte der Igel. Puh sah die kleinen grünen Pflänzchen prüfend an. Da war nichts mehr zu machen. „Da hast du ganze Arbeit geleistet“, stöhnte er. „Sag bloß, das Grünzeug hier hätte man essen können“, war der Igel verwundert. „Wenn du es nicht samt Wurzeln herausgerissen und zusammengedrückt hättest, bevor es überhaupt richtig gedeihen konnte“, meinte Puh. „entschuldige, ich habe es doch nur gut gemeint“, stammelte der Igel. „Ich hab’s befürchtet“, sagte Puh und sah sich um.

Zwitschi stocherte aufmerksam mit seinem Schnabel im Salat herum und schien angestrengt nach etwas zu suchen. Endlich hielt er eine braune Nacktschnecke im Schnabel und ... „Nein!!! Halt! Nicht Paula!“, entfuhr es Puh, als er auf den kleinen blauen Vogel losstürzte. Doch es war zu spät. Paula hatte gerade ihren letzten Weg von Zwitschis Schnabel in dessen Vogelmagen angetreten. „Was regst du dich so auf? Das war doch bloß eine Nacktschnecke“, fragte Zwitschi verblüfft. „Das war nicht irgendeine Nacktschnecke. Das war meine kleine Paula“, entgegnete der Wichtel. „Und woher willst du das wissen?“, fragte Zwitschi. „Das sieht man doch, verflixt und zugewichtelt noch mal!“, ereiferte sich Puh und begann damit die Salatköpfe abzusuchen. Die Schulgartenschnecken lebten immer in Gemeinschaft. Wo eine war, konnten die anderen nicht weit sein. “Zehn! Es sind nur noch zehn. Es waren immer zwölf Schnecken im Schulgarten. Zwitschi, was hast du noch angerichtet! Wo ist Henri?“ Zwitschi rülpste: „Er hat gerade Paula einen herzlichen Empfang bereitet“, sagte der kleine Vogel trocken. „Oh nein, jetzt sind Paul und Henriette verwitwet. Und du allein trägst die ganze Schuld daran“, jammerte der Wichtel. „Kein Problem, ich mach’s wieder gut“, zeigte sich der kleine blaue Vogel großzügig, „ich vereine die Beiden wieder mit Paula und Henri. Welche muss ich fressen?“ „Schnabel weg!“, schrie Puh entrüstet, „vielleicht haben Paul und Henriette noch eine gemeinsame Zukunft vor sich, wenn die Trauerzeit erst einmal vorüber ist“ „Und was machen wir gegenwärtig mit ihnen? Sollen diese braunen Nacktviecher in deinem Salat weitertrauern und ihn zerfressen oder was soll mit ihnen werden?“ „Such dir Hüpf und siedelt die zehn übrigen Schnecken an einen Ort um, wo sie keinen Schaden anrichten können. Wenigstens haben Kuno und Kunigunde, Gerd und Gerda, Bert und Berta, Emil ...“ Zwitschi war davon geflattert. Er schenkte dem Selbstgespräch des Wichtels keinerlei Beachtung mehr. „Endlich habe ich dich gefunden“, sagte er zu Hüpf. Das Eichhörnchen sah zu ihm auf: „Hast du eine Idee, wo wir die Nacktschnecken unterbringen können, die an den Salatköpfen sitzen? Puh hat mir nur gesagt, dass es ein Ort sein soll, wo sie keinen Schaden anrichten können“ Hüpf hatte keine Ahnung. Aber Willy, der das Gespräch der beiden mit angehört hatte, meinte: „Ich habe da ein wundervolles Plätzchen im Auge.“

Puh hatte sich inzwischen eine Hacke aus dem Gerätehäuschen geholt und lockerte die Erde für den Gurkensamen auf, als eine Prozession in Richtung Spinatbeet an ihm vorüber kam. „So das wär’s“, hörte er Hüpf sagen, „das sind die letzten vier Umsiedler. Wie haben sich die ersten sechs hier eingelebt?“ Willy strahlte bis über beide Kauzenohren: „Ausgezeichnet. Der Spinat scheint ihnen zu taugen. Da sind schon die ersten kleinen Löchlein drin. Sieh mal.“ Puh schoss hoch. Schwindel erfasste ihn, aber das zählte nicht. Er musste unbedingt seinen geliebten Spinat vor dem Zugriff der Nacktschnecken retten.

„Nicht in den Spinat! Nehmt die Schnecken sofort wieder raus aus meinem Spinat!“, brauste er auf, als er auf Willy, Hüpf und Zwitschi zuraste. „Was beschwerst du dich eigentlich?“, war Zwitschi verwundert, „du hast doch selbst gesagt, wir sollen sie an einen Ort umsiedeln, wo sie keinen Schaden anrichten können.“ „Genau! Und im Spinatbeet können sie keinen Schaden anrichten“, ergänzte Willy, „hier bringen sie wahrscheinlich sogar großen Nutzen, vorausgesetzt, es gelingt ihnen, die ganze Ernte zu vernichten.“ Puh schlug die Hände vors Gesicht. „Schafft sie weg!“, kreischte er. „Also schön, wenn du darauf bestehst“, bot Willy an und senkte seinen Schnabel hinab auf eine der Schnecken. „Die darfst du nicht fressen“, lachte Zwitschi, „das ist bestimmt Gerda.“ „Das ist Berta, verflixt noch mal!“, schrie Puh, „kannst du das nicht sehen?“ „Wen interessiert das überhaupt? Die schmecken doch bestimmt alle gleich“, war Willy überzeugt und wollte sich gerade über Berta hermachen, als Puhs Schrei ihn stoppte: „Nein! Nein Willy! Nimm sofort deinen verfressenen Kauzenschnabel von meiner süßen kleinen Berta!“ Dann scheuchte er den Kauz zum Gerätehäuschen und ließ sich eine Pappschachtel holen. Da verschwand Zwitschi plötzlich aus Puhs Blickfeld. Er versuchte sich hinter seinem Rücken an Kunigunde heranzupirschen: „Zwitschi, ich hab’ dich im Auge! Wage es ja nicht!“, fauchte Puh, der die Absichten des kleinen blau gefiederten Vielfraßes erraten hatte. Der kleine Vogel erschrak und flüchtete sich auf den Pflaumenbaum. Eigentlich war sein Plan doch gar nicht so schlecht gewesen. Wie konnte es sein, dass ihm der Wichtel im letzten Moment auf die Schliche gekommen war? Zwitschi beschloss nicht weiter darüber nachzudenken und machte sich hastig über eine grün schillernde Raupe her, bevor Puh noch Wind davon bekam und womöglich „Nicht Elfriede!“ rief. Endlich war Willy mit der Schachtel im Schnabel zurück. Liebevoll murmelnd setzte der Wichtel Schnecke um Schnecke hinein und trug sie auf die Wiese zurück. „So meine Schöne, hier wird diesmal aber geblieben“, sagte er mit erhobenem Zeigefinger zu Henriette, die er verdächtigte, die anderen Schnecken zu diesem Ausflug angestiftet zu haben, „und auf keinen Fall wieder in den Salat klettern, sonst muss der liebe Puh euch richtig ausschimpfen. So jetzt hatte er es ihnen aber gegeben. Das würden sich die Schnecken bestimmt ein für alle Mal merken.

War das heute eine anstrengende Unterrichtsstunde. Die einzigen Schüler, die keinerlei Schwierigkeiten machten, waren erstaunlicherweise die Hasen. Kein Geschrei, kein balgendes Knäuel, nichts. Einfach nur eine selige Ruhe aus Richtung Frühlingszwiebelbeet. Da konnte doch was nicht stimmen. Puh schlich sich an seine Hasenschüler heran. Das war es also. Die Drei hockten einträchtig beieinander und knabberten Zwiebeln. „Was macht ihr denn da?“ „Wir sorgen für den nötigen Dunst in der kommenden Lesestunde“, erklärte Schnuffi stolz und warf sich in die Brust. „Die Eule wird Augen machen“, strahlte Langöhrchen. „Und dann kann sie erschnüffeln, wonach wir müffeln“, ergänzte Spitznäschen poetisch. Puh drehte sich weg. Der Zwiebelhauch fand keinen Anklang bei ihm. Aber was war das? Dort hinten bei der Regentonne standen ja auch Stachelchen und Hüpf und kauten an ein paar Zwiebeln herum.

Da fiel dem Wichtel etwas ein. Er sauste hinüber zum Knoblauch, schnitt eine Knolle davon ab und brachte sie ins Lehrerzimmer. „Hallo Agathe, ich hab da was für dich“, verkündete er. „Und ich dachte immer, du kannst mich gut leiden“, beklagte sich die Eule. „Eben deshalb. Deine Schüler haben sich mit Zwiebelgestank bewaffnet und du schlägst jetzt mit Knoblauch zurück. Also, mach dein Schnäbelchen auf.“ Die Eule sperrte den Schnabel weit auf. Sieben Knoblauchzehen fanden ihren Weg hinein. Bei der Achten schüttelte Agathe nur noch missbilligend den Kopf und würgte. „Also schön, das müsste genügen. Machs gut meine Liebe, lass die Federn ordentlich räuchern und blase kräftig zum Gegenangriff“, sagte Puh und schlüpfte wieder hinaus in den Schulgarten. Ein flüchtiges Lächeln huschte über sein Gesicht, als er an die Knoblauch-Eule dachte. Die Schultiere hatten sein Verschwinden nicht bemerkt. Aber der Wichtel bemerkte, als er die Gartengeräte einsammelte, dass nun offenbar jeder eine Zwiebel intus hatte. Diese Schlawiner! Trotz des penetranten Geruchs, ließ es sich Puh nicht nehmen die Schürzentaschen der Maulwürfe gründlich nach Regenwürmern zu durchstöbern. „Was suchst du da?“, wollte Zwitschi wissen. „Regenwürmer“, erwiderte Puh. „Weißt du denn nicht, dass sie lockeres Erdreich als Lebensraum bevorzugen?“, zeigte sich der kleine Vogel überrascht. Kopfschüttelnd flog er auf einen Apfelbaum. Wer sollte hier eigentlich wen unterrichten?

Als es zur nächsten Stunde läutete, saß der Wichtel entspannt mit einem Stück Pflaumenkuchen und einer Tasse Kakao auf der Bank vor dem Schulgebäude. Interessiert schaute er zum Klassenzimmer hinauf, dessen Fenster allesamt auf einmal aufgerissen wurden. Was war Puh froh, dass er da heute nicht mehr hinein musste.