Puh schälte gerade eine saftige Ananas, als es an der Tür des Zwergenhauses klopfte. „Lass mich rein, lass mich rein, die Federn frier'n mir sonst ein“, jammerte es draußen. Als der Zwerg aufmachte, sah er einen völlig durchnässten Federhaufen vor der Tür sitzen. „Zwitschi?“, fragte er vorsichtig, man konnte ja nicht wissen, wer genau unter der dicken braunen Matschschicht steckte. „Wie kommst du bloß auf mich? Ich dachte meine Tarnung als Schlammlawine wäre perfekt.“ „Fast, aber ich hab' ein paar blaue Federn auf deinem Kopf entdeckt.“ Zwitschi fuhr sich mit seinem braun gesprenkelten Flügel darüber und sah Puh stolz an: „Nun, wie ist es jetzt?“ „Ausgezeichnet, es könnte gar nicht besser sein“, sagte Puh schnell, der fürchtete, Zwitschi würde sonst mit einem Kopfsprung ins nächste Schlammloch hechten, „komm rein und ab mit dir in die Wanne. Schließlich kann ich nicht jeden Tag dein Bettzeug waschen.“ Puh legte eine Spur alter Lappen bis zur Badewanne. „und diese ollen Fetzen sollen mich motivieren“, maulte Zwitschi. „Entschuldige, aber mein roter Teppich ist nach deinem letzten Auftritt noch immer in der Reinigung“, flachste Puh. Das entlockte dem Vogel ein müdes: „ha, ha!“ Dann protestierte Zwitschi weiter: „Ich will nicht in die blöde Wanne. Vom Wasser hab' ich genug. Wenn ich's genau nehme, bestehe ich zu sechzig Prozent aus Wasser.“ „Dann marsch zurück in den Garten, du schleppst mir ja den ganzen Dreck hier rein.“ „Ich hab's mir überlegt. Ich werde in die Wanne steigen. Aber ich tu's nicht gern. Außerdem tut es mir um die Kunst leid, mein schönes Bodypainting!“ Puh ließ Wasser ein und Zwitschi putzte sich mit dem Schnabel jede Feder einzeln. „Gut so?“, fragte er, als die Körperpflege beendet war. „Ausgezeichnet, So stelle ich mir meinen Mitbewohner vor.“ „Da hat dieser Wichtel auch noch optische Wünsche“, dachte Zwitschi, „wenn ich ihm nicht gefalle, kann er doch einfach die Augen zumachen.“ „Huhuhu, was ist mir kalt, ich flieg' nicht durch den Zauberwald“, tönte es von draußen. Puh öffnete die Tür und herein tapste Willy, der liebenswürdige Kauz, ebenfalls von unten bis oben voller Schlamm. „Wo habt ihr nur den Dreck aufgegabelt?“, fragte Puh. „Da wollte einer von uns ein Gemüsebeet vor seiner Haustür anlegen. Und das ist vom Regen überschwemmt. Der ganze Dreck liegt direkt vor deinem Eingang.“ Puh kratzte sich am Bart: „Lassen wir das lieber, Willy ich lass dir frisches Wasser ein. Hinein mit dir in die Wanne.“ „Muss das denn sein?“, fragte der Kauz. „Gleiche Pflichten für alle Federnträger“, sagte Zwitschi trocken und grinste.
Puh zündete das Feuer im Kamin an. Es knisterte herrlich und so langsam wurde es richtig gemütlich im Zwergenhaus. „Wollt ihr von meiner Ananas?“, fragte der Wichtel. „Ananas mag ich nicht, das Zeug ist nicht mein Leibgericht“, sagte Willy und auch Zwitschi wollte nicht. „aber einen hübschen Regenwurm hätt' ich gern, garniert mit einem Pinienkern“, sagte der blaue Vogel. „Und ich einen Bratspieß mit zehn Mistkäfern und Zwiebelscheiben, den könnte ich mir einverleiben“, ergänzte Willy. „Einen Regenwurm such vor der Tür, den find'st du garantiert nicht hier.“ „Ich geh da nicht raus. Bei so 'nem Mistwetter verlass ich nicht das warme Haus. Womöglich komm ich wieder rein und Puh kommandiert mich in die Badewanne hinein.“ „Stimmt“, sagte der Wichtel, „in Ordnung, heute Abend werd' ich für euch zaubern.“ Er holte seinen Zauberstab hervor.
„Ach, im Mehlfass steckt er also“, staunte Zwitschi. „Jetzt kann ich mir schon wieder ein neues Versteck überlegen“, stöhnte Puh. „Der sieht aber ungesund aus, so blass“, sagte Willy. „Puh? Willy, mach dir keine Sorgen, so schaut der immer drein, wenn ich das Zauberstabversteck herausgefunden habe“, meinte Zwitschi. „Doch nicht Puh, ich meine den Zauberstab“, sagte der Kauz. „Tatsächlich“, Zwitschi riss die Augen weit auf. Die Spitze des goldenen Zauberstabs leuchtete nicht mehr grün. Puh sah besorgt aus. Er hatte keinen Schimmer, was passiert war. Während er missmutig die Bescherung bestaunte, wurde er blass um die Nasenspitze. „Was ist los Puhchen?“, fragte Zwitschi, „hat dein Zauberstab etwa Fieber? Wie wär's, wenn du ihm so ein Zäpfchen gibst, wie ich es immer kriege?“ Puh musste schmunzeln: „Wenn ich ehrlich bin, weiß ich nicht was los ist, aber ich will trotzdem mal versuchen, ob ich noch zaubern kann:
Ein Regenwurm, ein ganz ganz fetter,
Ein Bratspieß mit Mistkäfern dran,
Das ist das, was bei diesem Wetter,
Zwitschi und Willy erfreuen kann.“
Es geschah nichts. „Na du Mistding, wirst du wohl. Ich kann auch ganz andere Seiten aufziehen. Wenn du nicht augenblicklich machst, was ich will, können wir ja mal erforschen, wie gut du brennst.“ Drohend schlich sich Puh zum Kamin. Da rief es vor der Tür:
„Quak, quak, wie ist das schön, im Matschwetter spazieren geh'n.“ „Die Frösche sind hier“, sagte Willy erstaunt. „Puh, öffne uns die Tür, wir müssen rein zu dir.“ Puh machte auf und bevor er etwas sagen konnte, waren Quieki und Quaki schon in die Wanne gehopst. Der Wichtel drehte den Wasserhahn auf und die beiden sprangen vergnügt in der Zwergenbadewanne herum. „Quak, wir haben eine Nachricht von der Eule, sie sagte unter viel Geheule, dein Zauberstab verliert die Kraft, wenn ihr es nicht bis zwölfe schafft, zum Goldbrunnen zu krauchen und ihn dort hineinzutauchen.“
Puh kratzte sich am Bart. Heute reimten alle Waldbewohner. Vielleicht war es doch nicht so eine tolle Idee gewesen, einen Gedichtwettbewerb ins Leben zu rufen. „Was sagt ihr da?“, fragte er entsetzt. „Zum Goldbrunnen musst du krauchen und den Stab ins Wasser tauchen.“ „Geht das auch ohne Reim?“, fragte der Wichtel. „Klar, noch bevor die Walduhr zwölfe schlägt, der Puh den Stab zum Brunnen trägt. Wenn er dieses schafft, erhält das Stäblein neue Kraft“, sagte Quaki. „Ohne Reim, hab' ich gesagt“, zischte der Zwerg zwischen zusammengepressten Zähnen hindurch. „Es ist so, dein Zauberstab braucht noch heute bis Mitternacht eine Auffrischung im Goldbrunnen, sonst sind die Zauberkräfte in ihm für immer verloren“, erklärte Quieki. „Da kannst du ganz entspannt sein“, sagte Willy, der einen Blick auf die Kuckucksuhr geworfen hatte, „du hast noch sieben Minuten Zeit.“ Puh war vor Schreck ganz weiß im Gesicht geworden. „Und wo ist dieser Goldbrunnen?“, fragte er mit zitternder Stimme. „Das wissen wir im Handumdreh'n, wenn wir in den Spiegel seh'n“, sagte Willy. Puh holte das große Buch mit dem Wunderspiegel aus dem Regal. Der Spiegel war blass. Er zeigte nichts mehr. „O nein!“, rief der Zwerg entsetzt. „Mit deinem Erschrecken warte, Agathe gab uns 'ne Karte“, sagte Quaki. „Wieso sagt ihr das nicht gleich, mir wurden schon die Knie weich. Blöde Reimerei!“, sagte Puh. Quieki reichte Puh eine völlig durchnässte Rolle. Der rollte sie hektisch auseinander. „Ach sieh mal einer an, der Goldbrunnen ist mein eigener Springbrunnen? Seid ihr sicher?“ Ratlose Blicke im ganzen Zwergenhaus. „Völlig egal, wir haben keine and're Wahl, wir müssen es probieren, sonst wird der Zauberstab die Kraft bestimmt verlieren“, sagte Zwitschi. „Sei doch froh, dass der Brunnen ist in deinem Garten, dann kannst du jetzt mit Volldampf starten“, ergänzte Willy.
Puh nahm einen Regenschirm und hetzte in den Garten. Willy und Zwitschi waren ihm gefolgt. Schließlich legten auch die beiden großen Wert auf die Zauberkräfte des Stabes. Als sie am Springbrunnen angekommen waren, sagte Puh verwirrt: „Das Wasser ist ja auf einmal ganz golden! Merkwürdig, das hab' ich vorher noch nie geseh'n.“ „Tauch endlich den Stab rein, es wird bestimmt nicht falsch sein“, feuerte ihn Zwitschi an. Puh staunte noch immer und zögerte. „Mach schon, wir werden noch ganz durchgeweicht, und ehrlich gesagt, ein Vollbad am Tag, das reicht“, maulte Willy. „Soll ich wirklich?“, Puh war verunsichert. „Los doch, goldener wird's nicht. Agathe sprach vom Goldbrunnen, dein Brunnen hat gerade jetzt goldenes Wasser. Was willst du eigentlich mehr?“, Zwitschi konnte Puhs Zögern nicht verstehen. „Und wenn ich ihn kaputtmache?“, fragte der Zwerg. „Das macht doch keinen Unterschied. Er hat ja vorhin schon nicht funktioniert“, meinte Willy. Dann schritt der Kauz zur Tat. Er gab Puh einen kräftigen Stoß mit seinem Schnabel und der Zwerg fiel Kopfüber in den Springbrunnen.
Fluchend tauchte er wieder auf: „Willy, brrrr, Will... brrrr ...ly!“ „Na, du kleine grüne Leuchtrakete“, feixte Zwitschi. Mühsam kletterte der Zwerg samt Zauberstab aus dem Brunnen. „Dein Zauberstab sieht wieder sehr schön aus“, lobte Willy, „und wie hübsch grün er leuchtet.“ „Genau wie du“, ergänzte Zwitschi. Puh sah entsetzt an sich herunter. „Sieh's doch mal positiv“, meinte Willy, „du verbrennst dir nicht mehr die Finger, wenn du mal eine Kerze anzünden willst, du bist selbst eine, wenn auch eine grüne. Aber über Geschmack kann man nicht streiten.“ „Er sieht aus, als wäre er unter die Frösche gegangen“, meinte Zwitschi, „mach doch mal quak.“ Puh warf den beiden wütende Blicke zu. „Und meinen Regenschirm hab' ich in den Brunnen fallen lassen“, sagte der Wichtel. Da schlug die große Walduhr Mitternacht. Im Brunnen zischte und brodelte es. Das Wasser schäumte. Als der letzte Glockenschlag verklungen war, blickte der kleine blaue Vogel auf die Wasseroberfläche. „Guck mal Puh, das Wasser sieht wieder ganz klar aus, wie immer. Wie wäre es, wenn du hineinspringst und den Schirm herausholst?“, schlug Zwitschi vor. „Darauf kommt es auch nicht mehr an, ich fühle mich sowieso schon wie ein nasser Sack.“ Sprach’s und sprang in den Brunnen. Als er wieder auftauchte, leuchtete er nicht mehr. Er hielt seinen Regenschirm in der Hand, kletterte aus dem Brunnen und gesellte sich zu Zwitschi und Willy. Dann machte Puh den Schirm auf und zu und ließ die Tropfen auf die beiden Großschnäbel herabprasseln, denn erstaunlicherweise hatte es aufgehört zu regnen. Die Wasserschlacht war eröffnet. Willy und Zwitschi hüpften durch die Pfützen und Puh ließ seinen Schirm auf- und zuschnippen. „Kommt mit ins Haus“, lachte der Zwerg nach einer Weile, wir müssen doch noch den Zauberstab probieren. „Einverstanden“, sagten die beiden.
Quaki und Quieki kamen gerade aus dem Haus gehüpft als die Drei hineinwirbelten. Zuerst einmal ging es ab in die Wanne. Und dann wurde gezaubert. „Ich ergänze meine Bestellung, ich hätte gerne noch eine kuschelig warme Decke für die Nacht“, sagte Zwitschi müde. „Dann lasst es mich mal probieren:
Ein Regenwurm, ein ganz ganz fetter,
Ein Bratspieß mit Mistkäfern dran,
Das ist das, was bei diesem Wetter,
Zwitschi und Willy erfreuen kann.
Dazu noch eine warme Decke,
Und zwei Stücke Eierschecke.“
„Wer will denn Eierschecke?“, fragte Willy. „Na ich natürlich. Außerdem war es das einzige Wort, das sich essenstechnisch auf Decke gereimt hat“, sagte Puh und breitete die Decke über sie. Noch lange saßen sie so gemütlich da. Puh holte seine Häkelarbeit heraus und arbeitete an seinem Topflappen weiter, während Zwitschi müde das Wollknäuel hin und her rollte. Ich glaube, sie sind irgendwann alle vor dem Kamin eingeschlafen.