Männerurlaub

Ein neuer Tag, der gleiche Dauerregen irgendwo in einem Ferienhaus im Zauberwald. Puh stürmte energiegeladen in den Schlafraum: „Guten Morgen ihr Schlafmützen, Zeit fürs Frühstück!“, erschallte sein Weckruf in voller Lautstärke und ließ Kobold Wuschel erschrocken hochfahren. Er sah zum Fenster, dann zu Puh, dann wieder zum Fenster: „Regen! Schon wieder nichts als Regen und dann noch verbrannter Toast und dünner Kaffee, was für ein schrecklicher Urlaub“, seufzte er und verzog angewidert das Gesicht. „Heute gibt’s zur Abwechslung mal tiefbraune Pfannkuchen“, verkündete Puh und strahlte von einem Ohr zum anderen. „Toll!“, sagte Wuschel verkniffen und kräuselte die Nasenflügel, „aber sag mal Puh, in Anbetracht solcher kulinarischer Abwechslung, ich muss doch hoffentlich nicht auf den dünnen Kaffee verzichten, der die letzten Tage in schöner Regelmäßigkeit meinen Gaumen gekitzelt hat.“ Puh überging diese Kritik. Klar, 250 Gramm Kaffee für vierzehn Tage Ferien. Man konnte sagen, es ist ein bisschen knapp bemessen, aber wenn man klug sparte und einen halben Löffel des raren Pulvers auf zwei Tassen bemaß, reichte es locker. „Guten Morgen“, gähnte nun Zwitschi und schlug die Augen auf. „Puh, woher nimmst du eigentlich die Gewissheit, dass unser nächster Ferientag schon begonnen hat, so finster wie es hier drin ausschaut?“, fragte der kleine blaue Vogel erstaunt. „Die Gewissheit verleiht mir die Datumsanzeige meiner Armbanduhr“, erwiderte der Wichtel und verschwand in der Küche. „Hab ich was verpasst?“, fragte Paul Kauz verschlafen und streckte einen seiner Füße unter der Bettdecke heraus. „Nur das Übliche - Puhs morgendliches Wecksignal, seine überschäumend gute Laune …“, informierte ihn Zwitschi. „… und verbranntes Toastbrot“, ergänzte Paul, nach einem flüchtigen Schnuppern, selbst und drehte sich auf die andere Seite. Was sollte es auch anderes sein, das gab es schließlich schon seit sie hier vor Anker gegangen waren. „Pfannkuchen“, korrigierte Wuschel. „Wie jetzt, Pfannkuchen?“, entfuhr es Paul und er setzte sich rukartig auf. „Verbrannte Pfannkuchen“, präzisierte Zwitschi und Paul sank zurück in die Kissen. Nun kam auch in den vierten Schläfer Bewegung. Willy Kauz streckte die Flügel, ließ ein genüssliches Gähnen ertönen und hob ein Augenlid: „Hä, huh, schon wieder? Das hatten wir doch schon in den letzten sechs Tagen“, beklagte er sich und zog die pinke Kuscheldecke noch ein bisschen fester an sich. „Regen oder verbranntes Frühstück?“, wollte es Zwitschi nun genau wissen. „Beides“, gab Willy kurz angebunden zurück und rollte sich zusammen. „Kommt zu Tisch, meine Lieben!“, rief Puh aus der Küche. Willy fuhr hoch. Gerade war vor seinen geschlossenen Augen die Sonne aufgegangen. Ein schöner Traum. Aber das war nun vorbei. Der Wichtel würde jetzt so lange nach ihnen läuten, bis sie alle vor ihren Tellern mit dem verbrannten … „Sagt mal, gibt’s schon wieder Toastbrot?“, erkundigte er sich bei den anderen und rümpfte die Nase. „Wo denkst du hin“, schmunzelte Zwitschi, „heute verwöhnt uns Puh mit angekokelten Pfannkuchen.“

„Und was machen wir jetzt?“, fragte Wuschel, als das Geschirr gespült war. „Wir warten voller Ungeduld auf Puhs Weiße Bohnen aus der Dose, mit denen er uns jeden Tag zur Mittagszeit verwöhnt“, meinte Zwitschi trocken. Puh überging auch diese Kritik, schließlich hatte er außer den 13 Dosen mit Weißen Bohnen auch noch eine Dose Erbsensuppe eingepackt. Der Wichtel konnte sich noch immer nicht erklären, wie die sich zwischen all die schönen weißen Bohnen gemogelt hatte. Sei es wie es sei. Er würde sie bei einer passenderen Gelegenheit als Trumpfkarte ausspielen. Zunächst einmal behielt er die kleine Überraschung für sich. Diese Meckerfritzen hatten es nicht verdient, dass er ihnen sein Geheimnis jetzt schon offenbarte. „Und was kommt vor den Bohnen?“, hakte Paul interessiert nach. „Wir zelebrieren das Öffnen der Dose“, meinte Zwitschi. „Jetzt hört mal zu ihr Miesmacher, wir gehen einfach nach draußen und sammeln Pilze fürs Abendbrot“, verkündete Puh seinen Plan für den Vormittag. „Geht nicht, meine Schuhe sind nass“, versuchte sich Wuschel herauszuwinden. „Sind sie nicht, ich hab sie mit Zeitungspapier ausgestopft und jetzt sind sie wieder schön trocken. Ich für meinen Teil jedenfalls gehe in Sandalen. Da kann das Wasser zu einer Seite rein- und zur anderen wieder herauslaufen“, erklärte Puh und ging festen Schrittes zur Tür. Ein kalter Windstoß riss sie ihm beinahe wieder aus der Hand. „Puh, Pilze wachsen am besten bei feuchtwarmen Wetter“, redete Zwitschi auf ihn ein. „Das gilt es erst einmal zu beweisen“, zeigte sich der Wichtel unbeeindruckt und winkte den anderen ihm zu folgen. Lustlos erhoben sie sich. Auf was hatten sie sich nur eingelassen. Männerurlaub! Um ein Lagerfeuer sitzen und singen, lange Wanderungen, Gemüse vom Grill, Baden im See. So hatte Puh ihnen diesen Aufenthalt schmackhaft gemacht. Und nun?

Draußen goss es wie aus Kannen. „Das bisschen Regen, das merkt man fast gar nicht“, sagte der Wichtel und ging voran. Die anderen sahen sich verdattert an. Das Bisschen regen? Man war innerhalb von Minuten nass bis auf die Haut. Und Pilze gab es auch keine. „Hab ich es nicht gesagt“, fauchte Zwitschi nach einer halben Stunde vergeblichen Suchens und sah Puh vorwurfsvoll an. „Jetzt glaub ich es auch“, sagte der Wichtel, „aber ich wollte es erst einmal selbst überprüfen.“ „Ich wollte es jedenfalls nicht überprüfen und trotzdem bin ich nun hier draußen gelandet, und das nur, weil du drauf bestanden hast“, beschwerte sich Wuschel und sah verärgert auf seine Schuhsohlen, die sich inzwischen ablösten und dann anklagend in Puhs Richtung. „Ein Grund, das nächste Mal einfach barfuß zu gehen“, entgegnete der Wichtel lapidar und sie traten endlich den Rückweg an. „Wird auch langsam Zeit, dass wir zurück ins Ferienhaus kommen“, meinte Paul Kauz und schüttelte sich vor Kälte und Nässe. „Ferienhaus? Ich habe es inzwischen unser Hausboot getauft“, sagte Willy Kauz verärgert.

„Alle Mann an Bord?“, fragte Willy und als die anderen es bestätigten, zog er die Haustür krachend hinter sich zu. Wassertropfen fielen zu Boden und bildeten kleine Lachen. „Bei der Kälte sollten wir vielleicht mal den Kamin anmachen!“, schlug Wuschel vor. „Eine gute Idee“, erwiderte Puh, „such schon mal Feuerholz und ich mach uns die Bohnen warm, denn die haben wir uns heute wirklich verdient.“ „Und wo such ich das Holz?“, wollte Wuschel wissen. „Natürlich draußen, wir sind mitten im Wald“, sagte Puh. Musste man hier eigentlich jede Kleinigkeit erklären. „Sag bloß, hier im Ferienhaus gibt’s kein Holz?“, mischte sich Paul Kauz ein. „Wozu denn Holz hier drin?“, war der Wichtel verblüfft. „Oh verflixt Puh, du stehst total auf dem Schlauch, das Holz da draußen ist in etwa so nass wie deine Füße, damit kannst du uns allenfalls ausräuchern, vorausgesetzt es gelingt dir, es anzuzünden!“, stöhnte Zwitschi. „Dann machen wir uns eben warme Gedanken und eine warme Suppe“, meinte Puh und schüttete die Dose in den Topf. „Na toll“, knurrte Wuschel freudlos. „Das sind eben echte Männerferien“, meinte Willy Kauz und drückte sein pinkes Kuschelkissen fest an sich. „Wenn ich das hier überlebe, na ja, das überleg ich mir, wenn ich es tatsächlich überlebt habe“, philosophierte Zwitschi und warf Puh einen vernichtenden Blick zu. Paul versuchte sich unterdessen durch Bewegung aufzuwärmen. „Und eins und zwei“, kommentierte er seine Kniebeugen.

„Waren die Bohnen nicht äußerst delikat“, erkundigte sich Puh nach dem Mittagessen. „Genauso delikat wie gestern und vorgestern und die ganzen anderen wundervollen Ferientage“, sagte Willy spitz. „Ja - Echt delikat“, echoten die anderen gelangweilt und überhaupt nicht überzeugt. Wenn die wüssten, welchen Pfeil er noch im Köcher hatte, dachte der Wichtel und schmunzelte still in sich hinein. „Und was nun? Holst du wieder den Würfelbecher raus?“, fragte Paul resigniert. Bis jetzt hatten sie jeden Tag nach dem Mittagessen gewürfelt. Und Puh hatte jeden Tag haushoch gewonnen. Der Wichtel war übrigens der Einzige von ihnen, dem das Würfelspiel Spaß machte. Eigentlich war das nicht weiter verwunderlich, nur Puh schien diese Tatsache immer wieder in Erstaunen zu versetzen. Und danach hatte es Abendbrot gegeben, Grillkäse aus der Pfanne und knackig frische Paprikaschoten. Manchmal servierte Puh ihnen auch selbst erwärmte Ravioli in Tomatensoße- natürlich frisch aus der Dose. Willy wusste gar nicht was schlimmer war - Puhs Glückssträhne beim Kniffel oder seine Kochkünste. Klar, der Wichtel wollte den Urlaub genießen und hatte es sich deshalb so einfach wie möglich gemacht. Aber das hier? Musste man die Dosen gleich palettenweise einpacken! Konnte man sich da nicht was zusammenstellen? Egal, dachte der Kauz schicksalsergeben. Der Hunger treibt es rein. „Na Puh, gibt’s wieder Grillkäse“, seufzte Zwitschi aus tiefstem Herzen. „Nein, heute hab ich eine Überraschung für euch“, strahlte der Wichtel und schob ein Blech mit Backcamenbert in die Röhre. Wuschel schlug die Hände vors Gesicht.

Ein neuer Tag, der gleiche Regen irgendwo in einem Ferienhaus im Zauberwald. „Guten Morgen, aufwachen ihr Schlafmützen, es gibt Frühstück!“, rief Puh und tänzelte frohgelaunt in den Schlafraum. Zwitschi fuhr im Bett hoch und riss die Augen auf. „Schon wieder Regen! Können wir diesen Tag nicht einfach vorspulen und nachschauen, wie es morgen wird?“, fragte er und gähnte. „Regen?“, murmelte Wuschel in sein Kissen und setzte sich vorsichtig auf. Puh war längst wieder in der Küche verschwunden und ein paar Minuten später gurgelte die Kaffeemaschine. „Guten Morgen, ist heute nicht ein herrlicher Tag“, kam es fröhlich aus Willys Kissen. „Hab ich was verpasst“, war Zwitschi verblüfft und auch Wuschel schaute verständnislos drein. Paul Kauz schaute noch gar nicht. Trotz des Lärms hatte er noch kein Federchen gerührt. „Paul!“, rief Willy und als das nicht half zog er die Bettdecke über den Füßen seines Kauzenfreundes weg. „Was schreist du hier so rum?“, fragte Paul nun total übermüdet und sah zum Fenster hinaus. „Mir ist heute Nacht, als die Regentropfen gegen das Fenster trommelten, etwas eingefallen“, erklärte Willy. „Und was? Wir suchen das Leck in den Wolken und stopfen es zu?“, knurrte Paul immer noch total verschlafen. „Natürlich nicht“, sagte Willy bestimmt, „mir ist eingefallen, jeder Tag kann ein schöner Tag werden, wenn man nur will.“ „Auch dieser?“, fragte Wuschel, der gerade wieder verbrannten Toast roch. „Auch dieser“, behauptete Willy Kauz und sprang aus dem Bett. Mit schnellen Trippelschritten war er in der Küche und mit ein paar Flügelschlägen oben auf dem Küchenschrank. Puh erschrak als Willy das Drehrad des Toasters von der höchsten auf die mittlere Stufe schnabelte. „Jetzt machen wir erst mal ein richtiges Frühstück“, verkündete der Kauz und der Wichtel schob vier Brotscheiben in das Gerät. „Erstaunlich“, murmelte Puh, als der Toaster nach einer Minute vier goldbraun geröstete Scheiben hervorbrachte. „Und es riecht auch irgendwie viel angenehmer“, lachte Willy Kauz und legte ihm gönnerhaft einen Flügel auf die Schulter. „Glaubst du, das könnte auch bei diesem vermaledeiten Pfannkuchenautomaten funktionieren?“, erkundigte sich der Wichtel. „Dieses bahnbrechende Experiment wagen wir erst morgen früh“, lachte Willy Kauz.

Die anderen drei Schlafmützen waren nun auch in die Küche gekommen. Ja das Wetter konnten sie nicht ändern, aber sie konnten es einfach hinnehmen und das Beste draus machen. Mit ein bisschen guter Laune war schließlich alles leichter. Genau das hatte Puh die ganze Zeit versucht, ihnen vorzuleben, und sie hatten es nicht verstanden. „Was machen wir heute Morgen?“, fragte Zwitschi unternehmungslustig in die Runde. „Na was schon, wir gehen baden im See!“, strahlte Wuschel übers ganze Gesicht und schlürfte seinen dünnen Kaffee. „Bei dem Wetter?“, war Puh, dem der plötzliche Sinneswandel seiner Freunde völlig schleierhaft war, verblüfft. „Klar“, sagte Wuschel, „nass werden wir auf jeden Fall schon mal von oben, dann macht uns das Nass von unten doch erst recht nichts aus.“ „Aber ich puste den Wasserball auf“, meldete sich Paul Kauz zu Wort. „Mach das ruhig. Ich brauch meine Puste noch. Schließlich will ich derjenige sein, der am längsten taucht“, meinte Zwitschi. „Und auf dem Weg zum See veranstalten wir ein Pfützen-Wetthüpfen“, schlug Willy Kauz vor. „So gefällt mir das mit euch“, sagte der Wichtel. Puh freute sich. 7 Tage lang hatte er ihnen genau das sagen wollen. Zwar bekamen sie immer noch keinen einzigen Sonnenstrahl zu sehen, aber die Sonne war in ihren Herzen aufgegangen. Und jetzt war der passende Moment gekommen, auf den der Wichtel so sehnsüchtig gewartet hatte. Puh spürte es genau. „Hört mal alle her! Heute Mittag hab ich was ganz Besonderes für euch“, verkündete er voller Stolz. „Lass mich raten, zwei Dosen weiße Bohnen?“, kicherte Zwitschi. „Nein, Erbsensuppe aus der Dose“, erwiderte Puh und rieb sich verlegen die Nasenwurzel. Die Einkaufsplanung konnte er im nächsten Jahr auf jeden Fall noch ein wenig optimieren, fand er zumindest.