Fußballfieber

"Was machst du denn da?", fragte der kleine Hase Langöhrchen seinen Bruder Schnuffi überrascht, der mit T-Shirts um sich warf. Gerade eben war Langöhrchen ein hellblaues Exemplar mit dunkelblauen Kontraststreifen um die Ohren geflogen und hatte ihn nur knapp verfehlt. "Wo hab ich es nur?", murmelte Schnuffi gedankenverloren und förderte nun ein dunkelrotes Shirt zutage. "Ja das könnte es sein", frohlockte er. Doch als er es auseinanderfaltete, leuchtete ihm eine große gelbe Sonne entgegen. Also weg damit. Das T-Shirt schwirrte an Langöhrchen vorbei und landete im Bücherregal, wo es das dicke Märchenbuch umriss. Doch Schnuffi ließ sich von diesem kleinen Zwischenfall nicht stören. Beherzt griff er nach dem nächsten Shirt. Da zog ihm jemand am Schwanz. "Was du da machst, will ich wissen!", schrie Langöhrchen. Schnuffi fuhr zusammen. Wo kam der denn so plötzlich her? "Wonach sieht's denn aus? Ich suche mein Trikot", gab er Auskunft und drehte sich um. Als er seinen Bruder mit forschenden Blicken betrachtete, erstarrte er: "Da kann ich ja lange suchen. Du hast es an!" Und schon packte er das Trikot am Saum und versuchte es Langöhrchen über den Kopf zu ziehen. "Pfoten weg! Das ist meins. Es hat die Rückennummer 12. Du hast selbst gesagt, ein guter Spieler wie du braucht nur eine einzige Ziffer." Das stimmte. Schnuffi hatte auf die 9 bestanden. Aber hatte Langöhrchens Trikot tatsächlich die 12. Das erforderte einen Kontrollblick, dem Schlitzohr war nicht zu trauen. Es stimmte, 1 und 2 prangten auf Langöhrchens Rücken, genau, wie er gesagt hatte. Und jetzt? Gerade wollte Schnuffi wieder in den Kleiderschrank eintauchen, da stürmte Spitznäschen ins Zimmer: "Frühstück ist fertig. Echte Sportlernahrung! Müsli mit getrockneten Aprikosen und Joghurt!" "Dreh dich mal um", befahl Schnuffi barsch, der nun Spitznäschen des Trikotdiebstahls verdächtigte. Das Trikot, das sein Bruder trug, konnte ebenso gut das seine sein. "Wenn du auf meine Hinteransicht so viel Wert legst", sagte Spitznäschen gelassen und präsentierte die 3. "So ein Mist", entfuhr es Schnuffi, "du trägst es also auch nicht. Mein Trikot ist weg." "Komm mal mit runter", lachte Spitznäschen, "ich glaube Papa hat da was für dich auf dem Bügelbrett." Schnuffi sprang so schnell er konnte die Treppe hinab. Vater Hase bügelte? Sein Trikot war schrecklichen Gefahren ausgesetzt. Bestimmt war schon ein großes Loch hineingebrannt, und das auch nur, wenn er Glück hatte. Wahrscheinlich waren es sogar mehrere. "Da bist du ja endlich", sagte der Hasenvater und hielt ihm seine Nummer 9 entgegen. Schnuffi besah das Trikot misstrauisch von allen Seiten. Es war unversehrt. Aufatmend zog er es über. "Absolut knitterfrei", triumphierte der Hasenvater und wartete auf das Lob seines Sohnes. Doch das blieb aus. Stattdessen fragte Schnuffi: "Du bügelst. Wo ist denn Mutti?" "Beim Elfmeter-Training mit ..." Da schrie im Garten eine wohlbekannte Zwergenstimme: "Wie hast du den aus dem unteren Eck gekratzt, verflixt und zugewichtelt." "Ich denke, Puh ist nicht in unserer Mannschaft?", war Schnuffi verblüfft. "Ist er auch nicht, aber deine Mutter hat ihn zum Training eingeladen, weil sie meint, dass es nicht schaden kann, wenn sie die Stärken und schwächen des Gegners kennt." "Zum Wichtel noch mal! Das gibt es ja wohl nicht! Den hatte ich extra gut platziert", gewitterte Puh draußen weiter. "Welche Stärken?", fragte Schnuffi, nachdem er aus dem Fenster gesehen und beobachtet hatte, wie Puh einen weiteren Elfer weit über das Tor hinaus geschossen hatte. Spitznäschen und Langöhrchen hatten sich inzwischen an den Küchentisch gesetzt und Schnuffi gesellte sich grinsend vor Vergnügen zu ihnen. Gerade wollte er in allen Einzelheiten darüber berichten, wie der Zwerg beim nächsten Anlauf ausgerutscht war und über den Ball getreten hatte, als es im Garten ... "Na endlich! Überlupft und verwandelt", jubelte.

Der Hasenvater goss unterdessen die frisch aufgeschäumte Erdbeermilch in sechs regenbogenfarbene Gläser, steckte bunte Strohhalme hinein und stellte sie auf den Tisch. Langöhrchen hatte eifrig die Servietten zu kleinen rosa Fächern gefaltet und Spitznäschen die drei kunstvoll gedrehten Kerzen angezündet. Hübsch sah es aus. Nun kam auch die Hasenmutter in die Küche, gab ihrem Hasenmann einen dicken Kuss und setzte sich an den liebevoll gedeckten Tisch. Ein Gedeck blieb allerdings frei: "Wo hast du denn Puh gelassen?", fragte Spitznäschen neugierig. "Der wollte hungrig auf das Spiel nachher sein", erklärte die Hasenmutter und biss mit großem Appetit in eine Möhre. "Da kann man nichts machen", seufzte der Hasenvater, "dann muss ich mich eben opfern." Und bei diesen Worten nahm er Puhs Glas und trank die Erdbeermilch aus, während seine Kinder sehnsüchtig die Hälse reckten.

Die Waldwiese war ein einziges Fußballfeld. Mittelkreis, Außenlinien, Strafräume, Eckfahnen, Tore - alles, was man für ein Fußballspiel braucht, war vorhanden, sogar zwei Trainerbänke. Auf der rechten Seite saß Listig. Der Fuchs war sichtlich angespannt, aber er schwor seine Mannschaft, den "FC Ballzauber", vor dem Spiel noch einmal richtig ein, besprach die Taktik mit seinen Mannen und stellte die Spieler für die Anfangsformation auf. Schnuffi und Langöhrchen bildeten den Sturm, Mutter und Vater Igel standen in der Abwehr und als Torwart wurde der Kapitän der Truppe, die Hasenmutter, nominiert.

Links hatte der "FC Blaue Socke" Platz genommen, trainiert von Zwitschi, dem kleinen blauen Vogel. Puh hatte den Namen höchst albern gefunden. Der Zwerg war für "FC Torrausch" gewesen, Eichhörnchen Hüpf hatte "FC Rasenflitzer" bevorzugt und Kobold Wuschel hatte zu guter Letzt noch "FC Magische Flanke" ins Spiel gebracht. Doch der kleine blaue Vogel wollte sein Traineramt nur antreten, wenn seine Gefiederfarbe den Namen seiner Mannschaft zierte. Da war er eigen. Seine Spieler hatten der übertriebenen Eitelkeit ihres gefiederten Trainers zähneknirschend nachgegeben und lauschten nun aufmerksam seiner Ansprache vor dem ersten wichtigen Spiel. "Puh und Hüpf, ihr seid mein Sturm", erklärte Zwitschi, "Puh ist sehr antrittsstark und unser kleines rotbraunes Eichhörnchen hier ist ein wahrer Dribbelkünstler und kann die Igelabwehr da drüben bestimmt problemlos austanzen." Puh strahlte. Der Zwerg war froh in der Startformation zu stehen. Nach seinen letzten Trainingsleistungen hatte er befürchtet, Kobold Wuschel würde von Zwitschi bevorzugt werden. Aber der kleine Vogel hatte nur müde abgewunken, als er Puhs verblüfften Blick zu seinem Koboldfreund hinüber bemerkte: "Wir müssen uns auch noch Steigerungsmöglichkeiten offenhalten", sagte er verschmitzt, "so und jetzt zur Abwehr. Ich nominiere Grabi und Schaufelchen. Die beiden Maulwürfe sind immer sehr einsatzfreudig und können sicherlich einen Großteil der Flanken der Hasen abblocken, so dass Kitty, unser kleines Wichtelfräulein im Tor, möglichst wenig zu tun hat, denn Kitty ist unser wunder Punkt."

Die Mannschaften betraten nun das Spielfeld. Im Mittelkreis stand Luzie, das Wichtelfräulein mit den blauen Zöpfen. Sie hatte die Schiedsrichterpfeife um den Hals hängen und ihre Augen blickten streng. Sie würde jedes, auch noch so kleine, Foul ahnden. Das stand fest. Als Linienrichter fungierten die Tauben Guru und Guri. Sie saßen links und rechts auf Luzies Schultern und bekamen von ihr zwei Fähnchen ausgehändigt, die sie in ihre Schnäbel nahmen. Danach flogen sie auf ihre Positionen.

Die Kapitäne der Mannschaften traten jetzt auf Luzie zu, gaben ihr die Hand und dann wurde eine Münze geworfen. Puh hatte Kopf gewählt und Mutter Hase Zahl. Die Münze zeigte Zahl, nachdem sie gegen Puhs Kopf geflogen und auf dem Rasen gelandet war. Unter Protest gab der Zwerg die Wahl verloren, als Luzie seinen Einwand, zuerst sei es ja Kopf gewesen, schroff zurückgewiesen hatte. Schiedsrichterin Luzie nahm nach der erfolgten Platzwahl die Pfeife in den Mund und pfiff das Spiel an. Sofort schwappte die La-Ola von den Zuschauerplätzen bis hinüber auf den Rasen. Die Käuze Paul und Willy hatten die Welle inszeniert und freuten sich, dass die übrigen Waldbewohner sofort mit einstimmten. Die Stimmung war riesig, die Fan-Gesänge hallten laut über den Wipfeln der Schatten spendenden Bäume dahin. Agathe, die kluge Eule, sah durch ein Fernglas, um das Spielgeschehen auf dem Rasen besser im Blick zu haben. Schließlich wollten sie und die Krähe Gundula einen großen Artikel über das Sportereignis des Jahres in der Waldzeitung veröffentlichen.

Auf dem Spielfeld hatte sich Puh gleich nach dem Anpfiff den Ball erobert. Er flankte passgenau hinüber auf Hüpf, der mitgelaufen war. Das Eichhörnchen umkurvte geschickt das Abwehrbollwerk der Igel, lief noch zwei, drei Meter im Strafraum des "FC Ballzauber" weiter und zog ab. Mutter Hase parierte und trat den Ball in die gegnerische Hälfte. Dort bekam ihn Langöhrchen vor die Füße. Er legte einen Sprint ein, passte auf Schnuffi, der den Ball gekonnt mit der Brust annahm, sich ihn dann vorlegte und damit in den Strafraum des "FC Blaue Socke" stürmte. Grabi versuchte ihm den Ball zwar noch wegzugrätschen, doch Schnuffi übersprang das ausgestreckte Bein des kleinen Maulwurfs scheinbar mühelos und sauste an ihm vorbei. Schaufelchen dagegen stellte den Raum gut zu und so kam Schnuffi nur mit einem Kullerball, der langsam auf Kitty zutrudelte, zum Abschluss. Doch das Wichtelfräulein betrachtete sich gerade in ihrem Taschenspiegel und zupfte ihre Haare zurecht, weil der Wind ihre neue, äußerst modische Löckchenfrisur zerzaust hatte. Und ehe sie bemerkte, was um sie herum geschah, erscholl auch schon der Torjubel von den Zuschauerrängen. Fuchs Listig sprang voller Begeisterung von seiner Trainerbank auf und schlug einen Purzelbaum, während Zwitschi sich vor Wut eine seiner schönen blauen Federn ausriss. Kitty sah erstaunt hinüber ins gegnerische Tor. Da war der Ball nicht. Wo war er dann? Grabi und Schaufelchen brüllten sie an: "Ich würde mal in meinem Kasten nachschauen an deiner Stelle!" Kitty drehte sich um. Tatsächlich! Hinter ihr zappelte der Ball im Netz. Wie war der dort hingekommen? Das Wichtelfräulein konnte es sich nicht erklären. Aber Schaufelchen hatte Kittys Blick in den Spiegel bemerkt, bevor der Treffer gefallen war. Der Maulwurf griff in ihre Hosentasche, holte den Spiegel hervor und warf ihn quer über die Seitenlinie ins Aus. Dann ermahnte er sie: "Deine Augen bleiben aufs Spielgeschehen gerichtet, ist das klar?"

Kitty war geknickt. Was hatte sie nur getan. Ihr Team lag 1 : 0 hinten und sie hatte dabei wirklich schlecht ausgesehen. Sie gelobte Besserung und verfolgte bald darauf angespannt, wie Schnuffi mit dem Ball am Fuß, nur drei Minuten nach Wiederanpfiff der Partie, erneut in ihren Strafraum sprintete. Die Maulwürfe sahen seinem gut vorgetragenen Angriff zunächst einmal interessiert zu und machten keinerlei Anstalten, ihn am Torschuss zu hindern. Dann entschloss sich Schaufelchen doch noch dazu, Schnuffi den Ball vom Fuß zu spitzeln, leider erfolglos, denn der Maulwurf rutschte weg und plumpste unsanft auf den Rasen. Also konnte der kleine Hase seinen Angriff nahezu ungestört abschließen. Doch das Wichtelfräulein kam noch mit der Fußspitze an Schnuffis gut platzierten Ball und der Schuss streifte haarscharf am linken Pfosten vorbei. Kitty brüllte wütend: "Grabi, bist du eigentlich auch Abwehrspieler oder stehst du hier nur Spalier für die gegnerischen Angreifer!" Grabi sah sie erstaunt an. Noch immer hatte er sich nicht von der Stelle gerührt. Energisch legte sich jetzt die attraktive Torfrau des "FC Blaue Socke" den Ball vor und machte einen langen Abstoß von der Strafraumgrenze. Trainer Zwitschi hatte die Flügel bei Grabis schlechtem Stellungsspiel fassungslos über dem Kopf zusammengeschlagen. In ihm brodelte es gewaltig. Schon jetzt probte er in Gedanken für die Halbzeitansprache.

Kittys Abstoß war nun Langöhrchen genau vor die Pfoten gefallen und der kleine Hase wollte sich gerade auf und davon machen. Zum Glück hatte Hüpf gut aufgepasst, denn Abwehrspieler Grabi schien die Gefährlichkeit der Situation wieder einmal total zu unterschätzen. Voller Bewunderung sah der Maulwurf dem langohrigen Ballzauberer bei seinen Angriffsbemühungen zu. Das Eichhörnchen aber luchste dem Hasen den Ball kurz entschlossen ab. Dann spurtete es in die gegnerische Hälfte. Hüpf war schnell und wendig, ließ Schnuffi aussteigen und war schon bald an der Strafraumgrenze. Dort passte er hinüber zu Puh, der besser positioniert stand. Der Zwerg zog, ohne lang zu fackeln, einfach einmal ab. Vielleicht konnte er so die Hasenmutter überrumpeln. Der Schuss kam hart und präzise, gleich würde er im linken Eck einschlagen. Doch sie war unglaublich - diese Hasenmutter! Sie machte sich lang und länger und kratzte den Ball mit der hinteren Pfote gerade noch von der Linie. Dann ging es ganz schnell in die andere Richtung.

Vater Igel hatte den Konter gut eingeleitet. Schnuffi sauste an Puh vorbei, der dem kleinen Hasen nicht so recht folgen konnte. Verzweifelt versuchte ihn der Zwerg am Trikot festzuhalten. Endlich hatte er Schnuffi zu Boden gerungen. Da erscholl ein Pfiff. Luzie kam bedrohlich auf ihn zu und zeigte ihm die Gelbe Karte. Dann folgte der Freistoß für den "FC Ballzauber". Vielleicht wäre er haltbar gewesen, aber Kitty wischte sich gerade mit ihrem hellblauen Spitzentaschentuch einen unschönen Schweißtropfen von ihrer hübschen kleinen Nase und so schlug der von Langöhrchen getretene Freistoß links in der oberen Ecke ein. "Du solltest doch aufs Spielgeschehen achten!", war Grabi erbost und trat wütend gegen den Pfosten. "Hab ich doch! Ich sah, dass der Schuss wie ein Strich auf meinen Kasten zukam. So einen Kracher kann ich nun wirklich nicht abwehren. Wenn ich zugefasst hätte, wäre mir sicherlich einer meiner floral bemalten Nägel abgebrochen. Wie sehe ich denn dann aus!", verteidigte sich die Torfrau. "In unserem Team spielt zwar der attraktivste Torwart, den man sich nur vorstellen kann", schimpfte Schaufelchen, "aber, wenn ich es nicht besser wüsste, würde ich glatt mein neues Skateboard darauf verwetten, dass wir überhaupt niemanden zwischen den Pfosten stehen haben, so wie es dort immer einschlägt."

Das Spiel lief inzwischen weiter. Schon wieder war der "FC Ballzauber" im Angriff. Sie schossen jetzt aus allen Rohren. Und wenn Schaufelchen nicht den ein oder anderen Schuss geblockt hätte und Schnuffi und Langöhrchen den Ball zwei Mal an die Latte und einmal an den Außenpfosten gezimmert hätten, wäre es schon bald ein zweistelliges Ergebnis gewesen. Auch Kitty hatte unterdessen ein paar tolle Paraden gezeigt, nachdem Kobold Wuschel ihr bei ihrer ersten echten Glanztat kräftig applaudiert hatte. Die Grasflecken auf ihrer schönen neuen weißen Hose erfüllten sie zwar trotz Wuschels Applaus mit Missfallen. Aber auf ein paar Flecken mehr oder weniger kam es nun nicht mehr an. Da raste Schnuffi schon wieder quer über das Feld. Hüpfs Fehlpass hatte diesen Angriff ermöglicht. Puh konnte den sprintstarken Hasen nicht aufhalten, sonst hätte er Gelb-Rot gesehen. Die Abwehr der Maulwürfe war schnell schwindlig gespielt und Schnuffi lief ganz allein auf Kitty zu. Nun galt es, den Ball an der Torfrau der "Blauen Socken" vorbeizulegen. "Wohin hättest du ihn gern?", fragte er sie. Doch Kitty hörte ihn nicht. Ihr linker Schnürsenkel erforderte ihre ganze Aufmerksamkeit, denn er war aufgegangen. "Also schön", meinte Schnuffi, "ich versenk ihn rechts von dir." Der Ball flatterte ein wenig und kam auch nicht besonders platziert und beinahe wäre es dem mitgelaufenen Schaufelchen noch gelungen, ihn um den Pfosten zu lenken. Doch da kullerte er über die Linie ins Tor. Das Publikum tobte. Es Stand 3 : 0 für den "FC Ballzauber". "Was hattest du denn nun schon wieder zu tun?", rief Schaufelchen seiner Torfrau zu und holte die Kugel aus den Maschen. "Mein Schuh war aufgegangen, weißt du, wie blöd das ausgesehen hätte, wenn ich bei meiner nächsten Glanzparade über meinen Schnürsenkel gefallen wäre!" "Blöder als gerade eben hättest du sicherlich nicht aussehen können", schnaufte Schaufelchen zornig und warf ihr den Ball zu.

Schiedsrichterin Luzie forderte nun den Ball von ihr und pfiff das Spiel vom Anstoßkreis wieder an. Langöhrchen erkämpfte sich postwendend den Ball. Eine kurze Täuschung, erst rechts angedeutet, dann links an Puh vorbeimarschiert und jetzt noch schnell den völlig überraschten Hüpf getunnelt und schon ging es wieder auf Kittys Kasten zu. Fußball konnte so herrlich einfach sein. Wütend hetzte das Eichhörnchen hinter dem Stürmer des "FC Ballzauber" her. Der kleine Hase versuchte nun so schnell wie möglich zum Abschluss zu kommen. Überhastet schob er den Ball weit am Tor vorbei und Kitty legte ihn sich vor. Da gelang ihr ein sensationeller Abschlag direkt auf Puhs Fußspitze, in den sie ihren ganzen aufgestauten Frust über die drei bereits kassierten Treffer gelegt hatte. Der Zwerg nahm den Ball an und passte quer hinüber auf Hüpf. Das Eichhörnchen führte den Ball sicher am Fuß und nahm ihn bis zum Strafraum des "FC Ballzauber" mit. Puh stahl sich an Mutter Igel vorbei und dann bekam er den Zuckerpass des Eichhörnchens genau auf den Schlappen serviert. Ein lauter Pfiff ertönte. Puh hörte ihn nicht. Er war im Torrausch. Gezielt, die ganze Kraft hinter den Schuss gelegt und verwandelt. Jubelnd sprang er über den Rasen, umarmte Hüpf und sah dann zu Luzie hinüber, die das Tor nicht gab. Guri hatte gewunken. Puh war im Abseits bei Hüpfs letzter Ballabgabe gestanden. "Das Tor zählt nicht, du warst im Abseits", erklärte Luzie streng. "Das war nie und nimmer Abseits du Pfeife", sagte der Zwerg verbittert. Alle Sicherungen brannten ihm plötzlich durch. Da hatte er endlich einmal eingenetzt, und nun zählte der Treffer nicht! Luzie sah rot und nach einem beherzten Griff in ihre Hosentasche auch Puh, der wegen Schiedsrichterbeleidigung vom Platz flog. Er hatte zwar noch einen kläglichen Versuch unternommen, und gestammelt, "Mein Satz war noch gar nicht zu Ende. Ich wollte sagen: Du pfeife bitte nur, wenn es wirklich Abseits ist." Doch Luzie ließ nicht mit sich reden. Mit gesenktem Haupt trollte sich der Rotsünder vom Platz. Dann wollte er sich leise an Trainer Zwitschi vorbeischleichen, doch der hielt ihn zurück. "Du bleibst hier, Kapitän Puh. Das war ja eine großartige Leistung von dir dich einfach hinausstellen zu lassen. Jetzt feuerst du deine Mannschaftskollegen gefälligst von der Bank aus an, und zwar bis du ganz heiser bist, wenn es sein muss!", schimpfte der kleine Vogel. "Schnabel Trainer! Ich fühle mich auch ohne dein Dazutun schon mies genug", sagte Puh geknickt. "Das solltest du auch. Zum Glück hat Luzie gerade zur Pause gepfiffen. Wir haben da nämlich ein bisschen was Grundlegendes zu besprechen", meinte Zwitschi, der mit der Leistung seiner Mannschaft in der ersten Halbzeit sehr haderte.

Die Maulwürfe, Kitty und Hüpf kamen zu ihm herüber. "Erst mal zu dir Kitty, deine Hände will ich künftig nur noch am Ball sehen, also nicht in den Haaren, nicht an den Schnürsenkeln und nicht am Spitzentaschentuch. Ist das klar!" Kitty nickte schuldbewusst. "Hüpf, deine Laufleistung war sehr gut, aber deinen Flanken fehlte manchmal ein bisschen die Präzision. Aber kampfstark bist du. Du bleibst mein Mann für den Angriff." "Danke Trainer für dein Vertrauen", sagte das Eichhörnchen und trank einen großen Schluck Traubensaft. "Dann wechsle ich einen von euch Maulwürfen aus. Ich denke wir nehmen Grabi vom Feld, er scheint mir nicht einsatzfreudig genug zu sein. Schaufelchen, du räumst alles weg vor unserem Strafraum, du bist jetzt meine Ein-Mann-Abwehr." Schaufelchen nickte. "Und nun zu meiner Geheimwaffe für unseren Angriff. Wuschel, geh auf den Platz und netze ein! Das Spiel ist erst verloren, wenn wir beim Abpfiff hinten liegen!" "Es ist schon jetzt verloren, seien wir mal realistisch. Wenn ich schon nicht getroffen habe, trifft Wuschel erst recht nicht. Und ehe du es vergisst, wir haben nur noch drei Feldspieler", resignierte Puh. "Dank dir, wie könnte ich das vergessen. Aber vom Verlieren will ich nichts hören", sagte Zwitschi entschieden, "außerdem warst du gar nicht so trefferlos, wie du zu glauben scheinst. Bei Luzie hast du jedenfalls einen echten Volltreffer gelandet. Du bist zumindest der einzige Spieler, der heute ein bisschen Farbe in das Spiel unserer Mannschaft gebracht hat", spottete der Vogel und versuchte dann Wuschel aufzubauen. Der kleine Kobold machte gerade ein paar Aufwärmübungen. "Komm schon renn eine Runde um den Platz, damit du heiß aufs Spiel wirst", forderte Zwitschi und Wuschel sauste davon. "Sehr gut", lobte ihn der kleine Vogel bei seiner Rückkehr, "mit dir im Sturm glaube ich noch an den Sieg." Puh schüttelte ungläubig den Kopf. Wo nahm Zwitschi nur diesen unerschütterlichen Optimismus her.

Der Seitenwechsel war erfolgt und Luzie hatte die zweite Spielhälfte angepfiffen. "Schau mal", rief Paul Kauz, und stupste Willy, der mit ein paar Schnarchlauten vermischt "Ole, ole, ole, ole, wir sind die Champions ole" sang, an. Willy fuhr erschrocken zusammen. "Was ist denn los?", fragte er. "Na da, Wuschel hat sich durch die Abwehr der Igel getankt. Er zieht ab und ja! Das gibt es doch nicht! Er versenkt den Ball zum 1 : 3. Tor! Tor! Tor!" "Schrei doch nicht so laut", beschwerte sich Willy Kauz, "es gibt auch noch Leute, die versuchen, wenigstens ein paar Minuten Schlaf zu kriegen." Und dann fielen ihm die schweren Augenlider wieder zu. Was war so ein Fußballspiel doch anstrengend. Und da, schon wieder wurde er von lautem Gekreische der anderen Zuschauer aus seinen Träumen gerissen. Spitznäschen, der für Langöhrchen ins Spiel gekommen war, hatte den Innenpfosten getroffen und von da aus war der Ball aus dem Tor gesprungen. Wieso musste bei so einem Fußballspiel denn immer so laut herumgebrüllt werden. Wie sollte man da ein wenig Ruhe finden. Willy riss den Schnabel weit auf und gähnte. Und trotz der erneuten La-Ola, die kurz darauf durch die Menge um ihn herum wogte, war er bald schon friedlich eingeschlafen. Ein leises "So ein Tag, so wunderschön wie heute", verließ neben zufriedenen Atemzügen seinen halb offen stehenden Schnabel. "Tor! Tor! Tor!", krächzte die Krähe Gundula nach einem feinen Spielzug der "Blauen Socken" begeistert. Zwitschi hatte seine Mannschaft zweifellos ordentlich motiviert. Die "Blauen Socken" waren kaum wiederzuerkennen, obwohl sie mit einem Spieler weniger auf dem Platz standen. Hüpf hatte eine tolle Kopfballvorlage von Wuschel zum 2 : 3 verwandelt. Ein wohliges Gefühl erfüllte die Krähe. Sie war stolz auf ihren blau gefiederten Freund. Und sie würde ganz bestimmt schreiben, dass es einzig und allein Zwitschis außergewöhnlicher Halbzeitansprache und seiner genialen Auswechselstrategie zu verdanken war, dass ..., "Tor! Tor! Tor!", brüllte da Agathe neben ihr, "Schnuffi hat zum 4 : 2 für die "Ballzauberer" verwandelt." "So ein Quatsch! Das war doch bloß Außennetz", korrigierte Paul die Eule gelangweilt. Der Kauz hatte die Situation genau erfasst. Agathe strich die Notiz auf ihrem Schreibblock sofort durch. Es war also beim 3 : 2 für den "FC Ballzauber" geblieben.

Und dann ging es schnell in die andere Richtung. Schaufelchen hatte den Konter gut eingeleitet. Der Pass hatte Wuschel genau erreicht. Schon war er am Igelvater vorbei und schloss den Angriff ab. Aber Mutter Hase zeigte eine ihrer Glanzparaden und fischte den Ball aus dem Kasten. Fuchs Listig, der Trainer des "FC Ballzauber", wurde langsam nervös. Sollte er das Spiel in Überzahl etwa noch verlieren? Er musste etwas an seiner Abwehr verändern. Also, der erschöpfte Igelvater raus und dessen Sohnemann Stachelchen rein. Das Spiel schien sich nach dieser gelungenen Auswechslung ein wenig zu beruhigen und der Fuchs atmete schon erleichtert auf, aber dann ... "Ecke! Das war doch Ecke", entfuhr es der Krähe Gundula, die glaubte, dass der Ball von Stachelchen abgeprallt und dann über die Torlinie ins Aus getrudelt war. Mit ihrer Meinung war sie zwar nicht allein und leise Pfiffe kamen inzwischen von den Zuschauerrängen, doch Luzie gab die Ecke trotzdem nicht. Nach Rücksprache mit Guru, dem Täuberich an der Seitenlinie, der den Ball eindeutig im Seitenaus gesehen hatte, als er von Stachelchen abgeprallt war, entschied sie nur auf Einwurf für die "Blauen Socken". Hüpf warf weit und hoch ein, Wuschel kam mit dem Kopf hinter den Ball und dann Schlug er in den Maschen hinter der Hasenmutter ein. Der Ausgleich war perfekt. "Tor! Tor! Tor!", Schrie Gundula begeistert, "Zwitschi, ich bin so stolz auf dich!" Ihr Ruf hallte durch die Reihen der Zuschauer und erreichte auch die Ohren des kleinen blauen Vogels, der verschämt zu Boden blickte. Fuchs Listig war von seiner Trainerbank aufgesprungen. Wild gestikulierend tigerte er an der Seitenlinie auf und ab, bis ihn Linienrichter Guru zur Ordnung mahnte und ihn in seine Coachingzone zurückschickte. Das Spiel wogte jetzt hin und her. Es gab Chancen über Chancen auf beiden Seiten. Die Abwehrreihen schienen gar nicht mehr zu existieren. "Foul! Das war Foul! Ich hab's genau gesehen!", erboste sich Paul Kauz. Doch Schiedsrichterin Luzie ließ die Partie Weiterlaufen, obwohl Wuschel der Länge nach auf dem Rasen lag. "Ruhig Blut", beschwichtigte Agathe, die kluge Eule, den aufgeregt mit den Flügeln schlagenden Kauz, "Wuschel ist ohne Einwirkung des Gegners zu Fall gekommen." Paul Kauz beruhigte sich wieder und sah konzentriert auf den Rasen. Spitznäschen, der gar nicht mehr vom Ball zu trennen war, verwandelte den großartig vorgetragenen Angriff zum 4 : 3 für den "FC Ballzauber". "Tor! Tor! Tor!", rief Paul begeistert. "Was?", fragte Willy Kauz erschrocken und klappte ein Auge auf. "Na Tor!", wiederholte Paul. "Ach Tor. Ja klar", murmelte Willy verschlafen, "Tor? Warte mal, für wen denn eigentlich?" "Für den "FC Ballzauber" natürlich", gab Paul bereitwillig Auskunft. Willy war gerade erst wieder wach geworden und da musste man viel Geduld aufbringen. "FC was?", fragte Willy noch einmal nach. "Ballzauber", wiederholte Paul. "Ballzauber, ach so ja, was ist denn das?", erkundigte sich Willy und gähnte. "Na, die Mannschaft, bei der die Hasenmutter im Tor steht", sagte Paul und wurde langsam ungeduldig. "Welche Mannschaft, wo?", war Willy entgeistert. "Na die da, vor dir auf dem Rasen", entgegnete Paul. Hoffentlich reichte die zweite Halbzeit noch aus, um Willy in die Feinheiten des Spiels mit dem runden Ball einzuweihen. Die wichtigste Voraussetzung hierfür allerdings war, dass Willy nicht wieder einnickte. Aber trotz des großartigen Kampfes, den die Sportler auf dem Rasen boten, schien das geradezu unmöglich zu sein, denn der Kauz hatte schon wieder einen verdächtig tiefen Atemzug getan.

Zwitschi zog in der Schlussphase alle Register. Es waren nur noch zwei Minuten auf der Uhr. Der kleine Vogel winkte Kitty aus dem Tor. Sie sollte nun auch in den gegnerischen Strafraum vordringen. Egal wie hoch sie heute noch verloren, Hauptsache sie hatten alles versucht. Und so blieb Kittys Tor unbewacht. Kitty war erstaunlich flink, schien förmlich über das Spielfeld zu fliegen. Dann trennte sie Spitznäschen sauber vom Ball, ließ Schnuffi und die beiden Igel einfach stehen, und schloss mit einem Hammerschuss zum 4 : 4 ab. Der Torjubel war unbeschreiblich. "Tor! Tor! Tor!", schrien Agathe und Gundula im Duett. "Das Spiel ist erste Sahne!" Voller Begeisterung notierte die Eule Kitty als Torschützin des verdienten Ausgleichs. Das Wichtelfräulein rannte zur Seitenlinie, ließ sich von Zwitschi beglückwünschen, der sehr stolz war, auf sein neues Sturmtalent, das es da offenbar in seiner Mannschaft gab. Und dann ertönte Luzies Schlusspfiff, kurz, nachdem sie die Partie wieder angepfiffen hatte und der Ball von Spitznäschen über die Seitenauslinie ins Aus bugsiert worden war. Die Mannschaften trennten sich mit einem leistungsgerechten 4 : 4.

Nur Puh war unzufrieden. Der Zwerg saß grummelnd auf der Bank, klatschte seine Mitspieler lustlos ab und ließ den Kopf hängen. "Na komm schon Puh", versuchte ihn Wuschel aufzumuntern, "wir haben doch ein tolles 4 : 4 erkämpft." "Aber ich habe überhaupt nichts dazu beigetragen", sagte der Zwerg frustriert. "Ein Platzverweis ist doch auch etwas. Und du bist sogar der Einzige, dem das gelungen ist", tröstete ihn Wuschel, "und nun komm mit auf den Rasen. Die Wichtel aus dem Wichtelwald haben ein großartiges Picknick für alle vorbereitet und das darrst du nicht verpassen." "Ich krieg nichts runter", seufzte Puh. "Auch nicht wenn ich darauf bestehe, dass du unbedingt von meinem leckeren Tomatensalat probierst, du Oberpfeife", lachte Luzie, die sich hinter ihn geschlichen hatte, und puffte ihn kameradschaftlich in die Seite. Puh sah zu ihr auf. Sie lächelte und ließ die Glitzersteinchen auf ihren Vorderzähnen blitzen. Aber weit mehr noch funkelten ihre freundlichen Augen. Da wusste der Zwerg auf einmal, dass sie ihm die Rote Karte, am heutigen Nachmittag zumindest, nicht mehr zeigen würde. Freudestrahlend legte er einen Arm um ihre Schultern und ging mit ihr auf den Rasen zu den Anderen.