Frühlingspoesie

Der Kauz Willy landete im Zwergengarten und trippelte zu Pünktchen hinüber, das beim Springbrunnen schlief. „Hallo Pünktchen, ich bin wieder zurück“, sagte er fröhlich. Das Reh regte sich nicht. „Aufwachen, Schlafmütze! Sag mir jetzt deinen Frühlingsvers. Du hattest genug Zeit zum Überlegen“, drängelte das Käuzchen. Das Reh zuckte müde mit den Ohren. „Wird’s bald! Ich habe schließlich nicht den ganzen Tag Zeit. Dein Frühlingsvers ist der Einzige, der mir noch fehlt. Bei den anderen Waldbewohnern auf meiner Liste war ich schon. Also, wie lauten deine beiden Zeilen für unser gemeinsames Frühlingsgedicht?“ Pünktchen gähnte und streckte sich. Verwundert sah es den Kauz neben sich an: „Warum brüllst du hier so rum und störst mich bei meinem Schönheitsschlaf? Du glaubst doch nicht etwa, dass mein Fell von allein so schön weich und glänzend wird?“ „Du kannst ja gleich weiterschlafen“, beschwichtigte der Kauz das Reh, „Zuvor brauche ich aber noch deine zwei Zeilen für unser gemeinsames Frühlingsgedicht. Wie lauten sie?“ „Hast du mich nicht heute Morgen schon danach gefragt?“, erkundigte sich das Reh. „Hab’ ich“, seufzte der Kauz. Wenn Pünktchen erwachte, dauerte es eine Ewigkeit, bis man mit ihm etwas anfangen konnte. „Und was hab’ ich da gesagt?“, wollte das Reh wissen. „Du hast mir versprochen, du würdest angestrengt über einen guten Reim nachdenken und ihn mir später sagen.“ „Und ich hab’ mich wirklich angestrengt. Denn über all dem Denken bin ich eingeschlafen. Mir schoss aber noch ein Vers in den Kopf, bevor ich auf einer Schäfchenwolke hinüber ins Traumland glitt. Pass auf, hier kommt er: Mein liebes gutes Willylein, zum Frühling fällt mir gar nichts ein.“ „Wirklich anspruchsvoll gedichtet. Darüber hast du bestimmt lange gebrütet. Kein Wunder, dass du so geschafft bist“, spottete Willy. Das Reh gähnte und hatte große Mühe die Augen offenzuhalten: „Lass dir was anderes für mich einfallen, wenn dir mein Vers nicht taugt“, empfahl es. „also schön, ich werd’ dir was aufs Auge drücken, das zu dir passt.“ Er flüsterte dem Reh zwei Zeilen ins Ohr. Pünktchen bewegte sanft den Kopf und ließ ihn ins Gras sinken. Es war wieder eingeschlafen. „Ich betrachte dein Abnicken als Zustimmung“, beschloss Willy und zog mit dem Schnabel Papierrolle und Bleistift aus einem Röhrchen, das an einem Band um seinen Hals hing.

„Ich bin hier“, schrie Zwitschi und segelte zu Willy ins Gras. Der Kauz erschrak und machte einen großen Krakel aufs Blatt, während Pünktchen nicht mal mehr mit den Ohren zuckte. „Sag mal Zwitschi, halten Rehe eigentlich Frühjahrsschlaf?“, fragte der Kauz interessiert. „Sieht ganz so aus“, bestätigte der Vogel mit einem Seitenblick auf Pünktchen. Auch er trug ein Röhrchen mit Schreibutensilien an einem Band um den Hals. „Ich muss jetzt noch zu Puh. Heute Morgen war er nicht mit Salz und Pfeffer zu genießen. Hoffentlich hat sich seine Laune inzwischen gebessert. Wenn ich nur wüsste, was in ihn gefahren ist.“ „Du warst länger weg, als ich dachte“, wunderte sich Willy, der drei Dichter mehr auf seiner Liste hatte als Zwitschi. „Ich weiß, entschuldige, dass ich erst jetzt eintrudle, aber ich musste mit Agathe Hölzchen ziehen, wer von uns eine Feder spendiert. Mir ist nämlich der Bleistift abgebrochen, als ich ihren Vers notieren wollte und die gute Eule hatte nur ein Tintenfässchen im Nest. Sie ist eben manchmal sehr altmodisch.“ Dabei sah der kleine blaue Vogel verärgert auf seine Schwanzfedern und Willy brauchte nicht zu fragen, wer das kürzere Hölzchen gezogen hatte. „Auf meiner Liste fehlt nur noch unser Wichtel. Wenn du mir deinen Bleistift borgst, kann ich seinen Beitrag aufschreiben. Dann sind wir fertig.“ „Und wie wär’s, wenn du deinen Spitzer nimmst und deinen Bleistift anspitzt?“, fragte Willy. „Wenn du bis morgen früh Zeit hast“, gab Zwitschi zur Antwort. Willy überließ ihm seinen Stift und sie schoben die Tür zum Zwergenhaus auf.

„Verschwindet, ich habe schreckliche Kopfschmerzen. Lasst mich bloß in Ruhe, mir geht es miserabel“, grummelte es aus Puhs Bett. „Ach Puh, wir sind gleich wieder weg. Es geht auch ganz schnell. Du müsstest nur mal eben deinen Vers für unser Frühlingsgedicht zum Besten geben“, sagte Zwitschi. „Mir dröhnt der Kopf. Nach Versen ist mir nicht zumute. Wer hat sich den Frühlingsquatsch da ausgedacht mit diesem idiotischen Gedicht“, stöhnte der Wichtel. „Du warst das. Was ist denn heute nur mit dir los?“, war Zwitschi erstaunt. „Kopfschmerzen hab’ ich! Muss ich’s erst noch für dich buchstabieren, damit du’s endlich kapierst“, heulte der Wichtel laut auf und trommelte mit den Fäusten auf die Matratze. Zwitschi zuckte zusammen. „Igitt, wonach riecht es hier so streng“, schnupperte Willy aufgeregt. Der kleine Vogel bemerkte es nun auch. Er flog in die Küche und fand zwei noch halb volle Gläser. „Tollkirschbowle“, rief er. Einer weiteren Erklärung bedurfte es nicht. Deshalb hatte er Puh und dessen Koboldfreund Wuschel gestern nicht bei ihrer wichtigen Unterredung stören dürfen. So ein Schwindler, dieser Wichtel. „Geschieht dir recht“, stellte Zwitschi fest. Im Zwergenbett jaulte es laut auf. „Wollte Wuschel nicht alle Spuren beseitigen?“ „Wieso kannst du dir auch nicht merken, dass dir die Brühe nicht bekommt“, schimpfte er mit Puh. Jetzt ging die Leier wieder los. „Halt den Schnabel, verflixt und zugewichtelt noch mal“, brummelte Puh, „von dir muss ich mir so etwas nicht anhören.“ „Musst du auch nicht. Du könntest mich schon längst wieder los sein, wenn du nur noch schnell deine beiden Zeilen für unser Frühlingsgedicht beisteuern würdest. Und wenn wir weg sind, kannst du deinen Tollkirschrausch in aller Ruhe auswichteln.“ Der Zwerg zischte:

„Mich hält der Kopfschmerz voll gepackt,
Gedichte finde ich beknackt!
Den Frühling mag ich gar nicht leiden!
Mir geht es nämlich echt bescheiden!

Noch Fragen?“ „Danke, das war’s schon“, sagte Zwitschi knapp und notierte die vier Zeilen. Er war sichtlich stolz auf den kopfschmerzgeplagten Wichtel. Sogar zwei Verse hatte er gedichtet. So ein Tollkirschrausch förderte offenbar Puhs Kreativität. Puh stöhnte noch einmal erschöpft auf und ließ sich wieder in die Kissen fallen. „Ich seh’ nachher noch mal nach dir, mein toller Kirschwichtel“, lachte Zwitschi und zu Willy gewandt sagte er: „Komm wir machen aus den beiden Schriftrollen in deinem Nest eine Einzige. Um Puh kümmere ich mich danach. Ich fürchte, diesmal müssen seine Kopfschmerzen behandelt werden. Da können wir nicht erst warten, bis sein Rausch davongerauscht ist. Morgen ist schon der Tanz in den Frühling auf der Waldwiese. Luzie, das hübsche Wichtelfräulein, freut sich schon so sehr auf Puh. Wenn sie wüsste, dass er sich zusammen mit Wuschel an Tollkirschbowle berauscht hat, wäre ihre Freude bestimmt getrübt. Er muss wenigstens wieder auf die Beine gestellt werden, damit sie nicht enttäuscht ist. Drehen wird er sich dann von ganz allein. Dafür sorgen die Reste der Bowle.“ „Und du meinst, Luzie ist damit zufrieden?“, fragte Willy erstaunt. „Klar, ihr wird der Unterschied kaum auffallen. Puh ist nicht gerade ein toller Tänzer“, war sich Zwitschi sicher. „Wie du meinst“, sagte der Kauz und forderte den kleinen Vogel auf ihm in sein Nest zu folgen.

Willy und Zwitschi setzten sich an den Küchentisch. Der kleine Vogel schrieb das Gedicht sauber ab, weil er die bessere Schnabelschrift hatte. Der Kauz diktierte:

Frühlingsfreuden

Die Tauben sitzen im Apfelbaum
Und schwelgen im süßen Frühlingstraum
Willy schlüpft aus den Wollsöckchen
Und sucht im Garten nach Schneeglöckchen
Zwitschi flattert durch die Luft
Und saugt ihn auf, den Tulpenduft
Die Hasen hoppeln durch die Wiesen
Wo wird das erste Veilchen sprießen?
Krähe Gundula putzt ihr Gefieder
Im Sonnenschein, da glänzt es wieder
Hüpf rennt an seiner Eiche runter
Endlich liegt kein Schnee mehr drunter
Der Freesienduft ist gar zu schön
Agathe bleibt begeistert steh’n
Fuchs Listig fegt durchs frische Gras
Ihm macht das Jagen wieder Spaß
Die Maulwürfe kommen aus den Gängen gekrochen
Sie haben die Hyazinthen gerochen
Stachelchen schaut aus dem Haus
Alles sieht so grün jetzt aus
Punktinchen streift durch Busch und Hecken
Wo mag der erste Krokus stecken?
Fisch Schüppchen aus dem Waldsee schaut
Endlich ist das Eis getaut
Die Frösche quaken froh und munter
Der Zauberwald wird wieder bunter
Reh Pünktchen liegt faul in der Sonne
Und genießt ihre Strahlen mit Wonne
Wuschel, der putzt seine Fenster
Gardinen waschen die Gespenster
Jedes Wichtelfräulein flechtet einen Blumenkranz
Und freut sich auf den Frühlingstanz
Paul Kauz verzichtet auf den Schal
Im Winter braucht er ihn öfter Mal
Die Wichtelmänner lassen ihre Stiefelchen stehen
Im Frühling wollen sie barfuß gehen
Zwerg Puh hält der Kopfschmerz fest gepackt
Gedichte findet er beknackt
Den Frühling mag er gar nicht leiden
Ihm geht es nämlich echt bescheiden

„So fertig“, war Zwitschi mit sich zufrieden, „wir haben von jedem der Waldbewohner ein paar Zeilen gesammelt und aufgeschrieben.“ „Die letzten vier habe ich nicht angesagt“, protestierte Willy. „Das brauchtest du auch nicht, ich habe sie mir gemerkt“, tönte der blaue Vogel. Aber wir können sie Puh doch nicht einfach unterjubeln“, protestierte Willy weiter. „Wieso denn nicht? Die hat er doch selbst gedichtet“, meinte Zwitschi. „Schon, aber er hat das doch nur so gesagt. Puh wollte diesen Vierzeiler sicherlich nicht in unserem Frühlingsgedicht haben.“ „Er wollte ja nicht mal mehr ein Frühlingsgedicht haben“, erinnerte ihn Zwitschi. „Trotzdem, diese vier Zeilen werden sofort gestrichen“, beharrte Willy auf seiner Meinung. „Nein, Puh wollte, dass jeder einen Beitrag zu unserem gemeinsamen Frühlingsgedicht leistet. Und das ist eben seiner“, zeigte sich Zwitschi stur. „Aber wenn er diese grässlichen Kopfschmerzen nicht hätte ...“, versuchte es Willy erneut. „... wäre auch nicht zwangsläufig etwas Gescheiteres dabei herausgekommen“, konterte Zwitschi. Willy stöhnte auf. Wieso musste diese kleine blaue Nervensäge eigentlich immer das letzte Wort haben. „Also schön, wir lassen die vier Zeilen drin“, seufzte er ergeben. Der Kauz nahm sich aber fest vor, das Gedicht eigenschnablig vorzutragen und Puhs unfreiwilligen Vierzeiler einfach zu unterschlagen.

Nachdem die beiden gefiederten Freunde noch ein Schälchen Wackelpudding mit Waldmeistergeschmack und Schlagsahne verzehrt hatten, legte sich Willy aufs Ohr. Zwitschi verließ schleunigst das Kauzennest. Er musste nach Puh sehen. Wie würde es seinem Lieblingswichtel inzwischen gehen? Hoffentlich hatte sich dessen miese Laune wenigstens ein bisschen gelegt. Als Zwitschi aber die angelehnte Tür des Zwergenhauses vollständig aufgestupst hatte, hörte er ihn schon wieder fürchterlich zetern: „Verschwinde, mir platzt der Schädel schon ohne dein Zutun.“ Zwitschi schritt zur Tat. Ohne etwas zu erwidern, sauste er davon. Er wollte Agathe um Rat fragen. Schon bald hatte er das Eulennest erreicht. Auf dem Rand saß die kluge Eule und blinzelte in die strahlende Frühlingssonne: „Was machst du denn schon wieder hier? Passt mein Reim etwa nicht zu eurem Gedicht?“ „Doch, doch, er passt perfekt. Aber die Kopfschmerzen passen nicht zu unserem Puh. Er liegt schon den ganzen Tag auf seinem Krankenlager, schreit mich an und nörgelt rum. Sicherlich ist ihm die Tollkirschbowle, die er gestern Abend zusammen mit Wuschel getrunken hat, zu Kopf gestiegen.“ Agathe sah ihn ungläubig an. „Wann wird er es endlich lernen. Von Tollkirschbowle kriegt er doch jedes Mal einen schweren Kopf“, lachte sie. „Kannst du seine Kopfschmerzen behandeln? Ich meine, wenn der morgen so ist wie heute, verdirbt er das ganze Fest und die arme Luzie wird schrecklich enttäuscht sein. Ich will nicht, dass sie traurig ist, ich mag sie nämlich sehr gern. Und das nicht nur, weil sie die besten Pfannkuchen bäckt, die ich je gegessen habe“, sagte Zwitschi. Die Eule überlegte. Dann erblickte sie die Veilchen unter ihrem Nest. „Das ist es“, jauchzte sie auf, „wir machen Veilchenumschläge, die helfen bestimmt. Hilf mir mal beim Sammeln.“ Als die beiden über die Wiese trippelten und dann und wann mit dem Schnabel eine der kleinen blauen Blumen abzupften, sagte plötzlich jemand: „Was macht ihr denn da?“ Als Zwitschi sich umdrehte, sah er Hüpf, seinen Eichhörnchenfreund. „Wir versorgen unseren Tollkirschpatienten“, erklärte er. „Wann wird Puh es endlich lernen? Die Tollkirschbowle ist ihm doch schon letztes und vorletztes und vorvorletztes Jahr nicht bekommen“, seufzte Hüpf. „Zwerge scheinen sehr vergesslich und überhaupt nicht lernfähig zu sein, was Tollkirschbowle angeht“, meinte Agathe. „Was sagt ihr da?“, fragte der Igel Stachelchen, der gerade einen Frühlingsspaziergang machte, „Puh hat’s schon wieder erwischt? Wieso weiß er denn eigentlich immer noch nicht, dass Tollkirschbowle ein Hammerwerk in seinem Kopf in Gang setzt.“ „Da fragst du was“, war die Eule ratlos, „du weißt es, Zwitschi weiß es, ich weiß es, Hüpf weiß es, nur Puh hat es offenbar mal wieder nicht gewusst.“ Mit diesen Worten holte sie ein kleines Körbchen aus ihrem Nest. Sie legten die gepflückten Veilchen hinein und begaben sich gemeinsam zum Zwergenhaus.

„Verschwindet!“, brüllte Puh, als er die Vier erblickte. Zwitschi fuhr zusammen. Das überbot an Lautstärke alles bisher dagewesene. Puh musste sich schrecklich fühlen. Doch Agathe zeigte sich unbeeindruckt. Sie schwebte in die Küche und forderte das Eichhörnchen auf ihr zu folgen. Auf dem Herd bereiteten sie einen Veilchensud zu. Stachelchen wühlte in Puhs Schränken unter dessen lautstarken Protesten nach einem Handtuch. Zwitschi versuchte den Wichtel mit seinem sanftesten Gezwitscher zu beruhigen. Es half nur bedingt. Puh sagte zwar keinen Ton mehr, lief aber dunkelrot an. Zwitschi beobachtete es mit Sorge. Falls Puhs Gesichtsfarbe in Violett überging, würde er sich umgehend in Deckung bringen. Womöglich warf der Wichtel dann mit seinem Kopfkissen nach ihm. „Stachelchen, hast du ein Handtuch gefunden?“, fragte Agathe aus der Küche. „Ja, hab’ ich“, rief der Igel und lief hinaus um es ihr zu bringen. Hüpf tauchte es in den Veilchensud und wrang es gründlich aus. „Und das legst du jetzt unserem schwierigen Patienten auf die Stirn“, sagte Agathe. Das Eichhörnchen erschrak: „Ich weiß nicht so recht, irgendwie ist er besonders mies drauf“, zweifelte es, „vielleicht ist es besser du schwebst über ihn und lässt es einfach fallen.“ „Gute Idee, Zwitschi könnte mir dabei helfen.“ Und so nahmen Agathe und Zwitschi je einen Zipfel des Handtuches in den Schnabel und ließen es auf Puhs Stirn fallen. Stachelchen kramte inzwischen nach einem großen Keks in der Keksdose und steckte ihn Puh zur Beruhigung in den Mund. Das brachte einen großen Vorteil mit sich. Selbst wenn sich der Zwerg über das Handtuch hätte aufregen wollen, war er nun erst einmal mit Kauen beschäftigt. Puh wollte sich aber nicht weiter aufregen. Der Veilchenduft entspannte ihn und nach einer halben Stunde ließen die Kopfschmerzen erheblich nach. Jetzt hatte er auch nichts dagegen, dass Hüpf die Umschläge regelmäßig wechselte und gegen Abend fühlte er sich wieder putzmunter. Im Gegensatz dazu hockten Stachelchen, Hüpf, Zwitschi und Agathe auf dem Zwergensofa und schliefen. Puh wusste, dass er seine vier Freunde so geschafft hatte und nahm sich fest vor nie wieder Tollkirschbowle zu trinken. Auf einmal blitzte es im hintersten Winkel seines Gedächtnisses auf. Hatte er sich das nicht schon mehrere Male vorgenommen?

Am nächsten Nachmittag versammelten sie sich alle auf der Waldwiese. Die Wichtel aus dem Wichtelwald hatten Kuchen und Kekse mitgebracht und in einem großen Glasgefäß hatten sie Schlammbowle mit Vanilleeis und Pfirsichen angesetzt. Und in einem zweiten duftete es nach? Ja, wonach denn eigentlich? Nach Tollkirschbowle. Puh stürzte wie von der Tarantel gestochen darauf zu. Als Zwitschi das bemerkte, zog er ihn mit seinem Schnabel am Ärmel. „Puh, erklär es mir, ich versteh’s nämlich nicht. Ich weiß, dass dir Tollkirschbowle zu Kopf steigt, Agathe weiß es, Hüpf weiß es und sogar Stachelchen. Und eigentlich solltest du es auch noch wissen. Schließlich ist gestern erst einen Tag lang her.“ Puh blieb ruckartig stehen. „Stimmt ja. Wieso entfällt mir das bloß immer wieder.“ Da trat ihm Luzie in einem blaugeblümten Kleid entgegen. Puh verwarf seine Gedanken an die Tollkirschbowle und reichte ihr die Hand.

Der Tanz in den Frühling begann. Ein vielstimmiges Orchester aus Bienen, Fliegen, Käfern und Grillen sang von den Vögeln des Waldes begleitet in den schönsten Tönen und die Waldbewohner tanzten zusammen mit den Wichteln. Luzie drehte sich glücklich strahlend mit Puh im Kreis und Zwitschi fand das so ergreifend, dass er ein paar Tränen verdrückte. Die beiden waren wirklich ein schönes Paar. Und keines der Wichtelfräuleins lächelte so schön wie Luzie.

Da läutete Willy das Glöckchen. Er bat um Aufmerksamkeit: Ich möchte euch nun unser gemeinsames Frühlingsgedicht vortragen. Jeder von euch hat dazu seinen Beitrag geleistet und hier ist es:

Frühlingsfreuden

Die Tauben sitzen im Apfelbaum
Und schwelgen im süßen Frühlingstraum
Willy schlüpft aus den Wollsöckchen
Und sucht im Garten nach Schneeglöckchen
Zwitschi flattert durch die Luft
Und saugt ihn auf, den Tulpenduft
Die Hasen hoppeln durch die Wiesen
Wo wird das erste Veilchen sprießen?
Krähe Gundula putzt ihr Gefieder
Im Sonnenschein, da glänzt es wieder
Hüpf rennt an seiner Eiche runter
Endlich liegt kein Schnee mehr drunter
Der Freesienduft ist gar zu schön
Agathe bleibt begeistert steh’n
Fuchs Listig fegt durchs frische Gras
Ihm macht das Jagen wieder Spaß
Die Maulwürfe kommen aus den Gängen gekrochen
Sie haben die Hyazinthen gerochen
Stachelchen schaut aus dem Haus
Alles sieht so grün jetzt aus
Punktinchen streift durch Busch und Hecken
Wo mag der erste Krokus stecken?
Fisch Schüppchen aus dem Waldsee schaut
Endlich ist das Eis getaut
Die Frösche quaken froh und munter
Der Zauberwald wird wieder bunter
Reh Pünktchen liegt faul in der Sonne
Und genießt ihre Strahlen mit Wonne
Wuschel, der putzt seine Fenster
Gardinen waschen die Gespenster
Jedes Wichtelfräulein flechtet einen Blumenkranz
Und freut sich auf den Frühlingstanz
Paul Kauz verzichtet auf den Schal
Im Winter braucht er ihn öfter Mal
Die Wichtelmänner lassen ihre Stiefelchen stehen
Im Frühling wollen sie barfuß gehen

„Du hast da was vergessen“, warf Zwitschi ein. „Das habe ich nicht. Es ist alles gesagt.“ „Stimmt nicht“, blieb der kleine Vogel beharrlich, „da sind noch folgende Zeilen:

Zwerg Puh hält der Kopfschmerz fest gepackt
Gedichte findet er beknackt
Den Frühling mag er gar nicht leiden
Ihm geht es nämlich echt bescheiden“

„Zwitschi!“, rief Puh entsetzt, „das hab’ ich doch nicht so gesagt.“ „Hast du wohl!“ „Dann habe ich es eben nicht so gemeint! Hättet ihr euch nicht etwas Netteres für mich ausdenken können?“ „Davon hast du nichts gesagt. Ich dachte, das geht schon in Ordnung so“, verteidigte sich Zwitschi. „Aber ihr wusstet doch, dass ...“ „Beruhige dich wieder, ich improvisiere mal eben etwas anderes für dich

Puh quält sich hoch von seinem Kissen
Und küsst im Garten die Narzissen.“

„Die küsst du und mich nicht!“, beklagte sich nun Luzie, das Wichtelfräulein und ließ die dunkelblauen Zöpfe fliegen. „Oh nein, was hast du jetzt wieder angerichtet“, jammerte Puh. „Kannst du dich denn nur beschweren? Besser kann es doch gar nicht laufen. Sie will von dir geküsst werden“, lachte Zwitschi. Puh wäre vor Scham fast im Boden versunken. Da kam ihm Willy zu Hilfe: „Also gut dann probier ich’s mal ...“ Puh schwante nichts Gutes. Mit wild rudernden Armen brachte er Willy zum Schweigen. „Was ist nun, ich bin doch mindestens so hübsch wie deine Narzissen“, drängelte Luzie. „Sogar noch viel hübscher“, lachte Puh und gab ihr einen dicken Kuss auf die Nasenspitze. Luzie strahlte und die Glitzersteinchen auf ihren Vorderzähnen funkelten. „Na geht doch“, kommentierte Zwitschi die Szene, „immer musst du dich so anstellen.“