„Verflixt und zugefedert! Warum musste ich nur das kürzere Hölzchen ziehen“, maulte Zwitschi und schüttelte angewidert seine hübschen blauen Federn. Auf denen sich dicke nasse Schneeflocken einzunisten versuchten, die unablässig, immer wieder gemischt mit großen Regentropfen seit drei Tagen aus dem mit grauen Wolken verhangenen Himmel fielen. Nun galt es schnell zum Kauzennest zu fliegen, nachzufragen, ob bei Willy alles in Ordnung war und dann nichts wie zurück ins warme Zwergenhaus, wo ein gemütliches Feuerchen prasselte. Zwitschi ließ sich auf der alten Kastanie nieder und trommelte mit dem Schnabel an Willys Tür. Nichts! War er vielleicht ausgeflogen? Unmöglich, bei diesem Matschwetter! Zwitschi klopfte erneut. Da tat sich die Tür auf mit einem kräftigen Ruck, der Zwitschi aus dem Gleichgewicht brachte. Der kleine Vogel stolperte mit Willy zusammen ins Kauzennest. „Manchmal wird man von Besuchern eben regelrecht überrollt“, lachte der Kauz und kämpfte sich unter Zwitschi hervor. „Was kann ich dafür? Ich bin eben einfach überwältigend“, flachste Zwitschi und fragte dann, „Ist alles in Ordnung bei dir? Wir haben dich schon seit Tagen nicht gesehen?“ „Ja, bei mir ist alles bestens. Das Einzige, worüber ich mich beklagen könnte, ist das Wetter, aber ihr habt ja auch kein anderes. Auf jeden Fall lockt mich diese graue Suppe so ganz und gar nicht nach draußen.“ „Könnte dich denn eine Märchenstunde ins Zwergenhaus locken?“, hakte Zwitschi nach. „Und ob“, strahlte Willy vergnügt. Sein Bett war zwar der herrlichste Platz der Welt, aber so langsam aber sicher wurde es langweilig, trotz der toll gemusterten neuen Wendebettwäsche - auf der einen Seite Schachbrett, auf der anderen Damebrett. Na gut, wenn Willy so recht darüber nachdachte, war kein Unterschied zu sehen. Was hatte er sich da eigentlich wieder andrehen lassen. Immerhin hatten die Seiten verschiedene Namen und das war ja auch etwas.
„Da seid ihr ja endlich“, freute sich Puh und machte die Haustür hinter ihnen zu. Er hatte kuschlige Decken auf dem Sofa ausgebreitet, Kerzen angezündet und ein paar Scheite Holz nachgelegt. „Setzt euch, das Märchenbuch liegt schon bereit“, lud der Zwerg sie ein und machte es sich gemütlich. „Halt, halt“, protestierte Zwitschi, „zu einer Märchenstunde gehört immer ein kleiner Imbiss.“ „Wo steht denn das geschrieben?“, erkundigte sich Puh. „Das braucht man doch nicht aufzuschreiben, das ist hinlänglich bekannt“, gab der kleine blaue Vogel zurück. „Da muss ich mal nachsehen, was ich noch in meinem Vorratsschrank habe“, sagte Puh und förderte einen Pfannkuchen zutage. „Ist noch von gestern übrig“, kommentierte er seinen Fund. „Schöner Mist“, piepste Zwitschi hörbar unzufrieden. Puh hatte den Pfannkuchen inzwischen in drei Teile geteilt. Der kleine Vogel beäugte das angebotene Stück missmutig, sah dann auf Puhs und Willys Teller. „Ich will dein Stück“, wandte er sich an den Wichtel, „da ist die meiste Marmelade drin.“ Puh seufzte und schob ihn seinen Teller hin. „Schmeckt wie von vorgestern, um nicht zu sagen ein wenig antiquarisch“, grummelte Zwitschi und würgte den ersten Bissen hinunter.
Ein paar Minuten später kuschelten sie zusammen auf dem Sofa und Puh las aus dem Märchenbuch vor:
Der Froschkönig
Es war einmal eine Königstochter, die war wunderschön, so schön, dass sich die Sonne vor ihr verneigte, wenn sie ihr ins Gesicht sah. Jeden Tag lief sie in den Wald hinaus und spielte mit ihrer goldenen Kugel am Brunnen. Eines Tages jedoch fiel sie ihr hinein. Sie weinte bittere Tränen und da steckte ein Frosch seinen Kopf aus dem Wasser und bot ihr an, die Kugel wiederzuholen, wenn sie ihn mit auf Schloss nähme. Die Königstochter versprach das dem Frosch und der tauchte ab und brachte ihr die Kugel zurück. Sie nahm die Kugel und rannte davon, der Frosch rief ihr nach: „Warte auf mich! Nimm mich mit!“, doch sie wollte ihn nicht hören. Ein paar Tage später, an der königlichen Tafel wurde prächtig gespeist, da hörte die Königstochter, wie etwas die Schlosstreppe hinaufpatschte …
„Warte mal Puh, ich hab auch grade was vor deiner Tür gehört“, unterbrach ihn Willy und spitzte angespannt lauschend die Ohren. „Unsinn“, versuchte ihn Puh zu beruhigen und stellte sein Wasserglas zur Seite. „Ich hör auch was auf deiner Türschwelle herumpatschen“, flüsterte Zwitschi aufgeregt. „Nun macht mal halblang“, winkte der Wichtel gelassen ab. Da klopfte es: „Königstochter, Jüngste, mach mir auf“, klang es von draußen. „Das gibt’s ja wohl nicht“, Puh stand vor Staunen der Mund offen. „Na los, Königstochter, mach dem ollen Wasserpatscher auf“, lachte Willy, der mittlerweile an einen Scherz glaubte. „Diese Gespenster lassen sich auch immer mal was Neues einfallen“, lachte Zwitschi, der den gleichen Gedanken wie sein Kauzenfreund hatte.
Puh stand auf und ging zur Tür. „Wer bist du denn?“, fragte der Frosch enttäuscht, als der Wichtel ihm geöffnet hatte, „das könnte ich dich auch fragen“, erwiderte Puh und seine Augen weiteten sich. „Froschkönig ist mein Name, ich komme auf Einladung der jüngsten Königstochter in dieses … Moment mal, wo ist eigentlich die breite Schlosstreppe hin, die ich gerade noch hinaufgepatscht bin? Wo bin ich hier nur hingeraten?“ „Zwewewewergenhaus“, brachte Puh stotternd hervor. Er starrte auf den Frosch, dann an die Decke, dann wieder auf den Frosch. „Ach du zerzauste Kauzenfeder“, entfuhr es Willy und dann eiferte er Puh nach, starrte abwechselnd zur Decke und auf den Frosch. „Wie kommt denn der hier her?“, war Zwitschi von den Socken. „Keine Ahnung, der kann eigentlich nur aus dem alten Märchenbuch entwischt sein“, grübelte Puh. Aber irgendwie klang diese Antwort völlig verrückt in seinen Ohren. „Und was machen wir jetzt mit ihm?“, fragte Willy. „Lasst mich doch erst mal rein“, beschwerte sich der Froschkönig, „auf Schneeregen bin ich nämlich so überhaupt nicht eingestellt.“ Puh gab den Weg frei und der Froschkönig hüpfte an ihnen vorbei ins Zwergenhaus. „Wie kriegen wir seine Majestät bloß in das Märchenbuch zurück?“, fragte Zwitschi neugierig. „Hör auf mich mit Fragen zu löchern, auf die ich keine Antwort weiß“, zischte Puh und schlug die Hände vors Gesicht. „Wenn es hier auch keine königliche Tafel gibt, ein Tellerchen mit Speise wäre nicht übel“, bemerkte der Froschkönig. „Das geht leider nicht eure Majestät, aber viel verpasst habt Ihr nicht, was die Verköstigung betrifft. Der letzte Pfannkuchen des Hauses Puh war nämlich ziemlich vertrocknet“, sagte Willy. „Und dieses fürchterliche Sodbrennen, das mir dieses alte Ding eingebrockt hat, war es überhaupt nicht wert“, fügte Zwitschi hinzu, dem die schlechte Bewirtung sauer aufstieß. „Ich sehe schon, auf meinen Besuch ist man hier nicht vorbereitet. Also seht zu, dass ich wieder zurück in mein eigenes Märchen komme, damit mich die Königstochter von ihrem Tellerchen speisen lassen kann, bevor sie mich dann mit einem zärtlichen Kuss erlöst.“
„Ich glaub, der kennt seine eigene Geschichte nicht mehr“, wisperte Willy Puh ins Ohr. Der Wichtel nickte. „Irgendwas, was ich wissen sollte?“, fragte nun der Froschkönig. „Erklärt es ihm und lasst mich in Ruhe nachdenken“, seufzte Puh und zog sich zurück. „Ja, also weißt du …“, begann Willy vorsichtig, „das ist nämlich so, die Königstochter küsst dich nicht direkt, aber …“ „Was soll das heißen, wie bitte küsst man indirekt?“, fragte der Froschkönig zurück. „Das heißt: Mit Küssen ist da nix, du wirst gegen die Wand geworfen“, erklärte Zwitschi ohne jede Umschweife. „Dann bleib ich besser hier, mit Wänden hab ich nichts am Hut“, meinte der Froschkönig. „Was hast du wieder angestellt“, fuhr Willy den kleinen blauen Vogel an. „Ich hab doch nur gesagt wies ist“, verteidigte der sich. „Hättest du dabei nicht ein wenig sensibler vorgehen können“, schimpfte Willy. „Ich kann doch nichts für das Märchen“, entgegnete Zwitschi. Die Logik war diesmal eindeutig auf seiner Seite. „Und ich will nicht in ein Märchen zurück, in dem ich an eine Wand geworfen werde“, jammerte der Froschkönig. „Aber wenn du hier bleibst, bringst du deine ganze Geschichte durcheinander“, gab Willy zu bedenken und warf einen Blick in das Märchenbuch. Seine Augen wurden vor Überraschung riesengroß, denn so ging das Märchen jetzt weiter:
Die Königstochter öffnete die Tür und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus. Niemand war zu sehen. Sie hatte eigentlich mit dem Frosch gerechnet, den sie erlösen sollte. Was wurde nun aus ihrer Märchenhochzeit? Das Aufgebot war längst bestellt. Dicke Tränen rannen ihr übers Gesicht. Und noch immer macht sie Tag für Tag die Tür auf, um zu sehen, wo ihr künftiger Bräutigam bleibt, und wird dabei alt und runzlig werden.
„Oje, dass sie meinetwegen alt und runzlig wird, das will ich nicht. Da soll sie mich lieber an die Wand schmeißen und wir feiern Hochzeit“, ergab sich der Froschkönig in sein Schicksal. „Gut so! Ein Frosch - ein Wort“, lobte ihn Zwitschi, „außerdem machst du das nicht zum ersten Mal mit. Dein Märchen haben wir mindestens schon zehnmal gelesen.“ „Wenn du das sagst, das muss ich wohl erfolgreich verdrängt haben“, war der Froschkönig erstaunt. „Aber den Wassertropfen seh' ich zum ersten Mal auf dieser Seite hier“, murmelte Willy. „Was hast du da gesagt!“, rief Puh und lief aufgeregt herbei. Ja richtig, er hatte ein wenig Wasser verschüttet, bevor der Froschkönig angeklopft hatte. Womöglich hatte er damit ein magisches Tor zum Märchenland aufgestoßen. „Das könnte es sein. Komm und spring auf diese Seite.“ Der Froschkönig beäugte das Märchenbuch misstrauisch. Sein Märchen stand ungefähr in der Mitte. Wenn Puh das Buch nun zuklappte, wenn er darauf saß. Der Wichtel ahnte, was er dachte. „Keine Angst“, lächelte er aufmunternd, „ich klapp das Buch nicht zu, versprochen.“ „Also dann, probieren wir's“, sagte der Froschkönig und machte einen Satz auf das Buch. Nichts geschah! "Der ist ja immer noch hier!", stellte Zwitschi trocken fest. "Eine Idee hab ich noch", sagte Puh und träufelte ein paar Tropfen Wasser auf den Frosch. Es passierte wieder nichts. "Da hörte die Königstochter, wie etwas die Schlosstreppe hinaufpatschte“, las Willy vor. Und plötzlich war der Froschkönig verschwunden. Er hatte sich regelrecht in Luft aufgelöst. "Erstaunlich", murmelte Puh.
Willy und Zwitschi sahen verblüfft auf die Seite. Das Märchen war wieder umgeschrieben. Der Frosch wurde eingelassen, durfte an der Tafel sitzen, bekam das goldene Tellerchen der Königstochter hingeschoben … „Lasst uns weiterlesen“, schlug Puh vor. „Vom Froschkönig hab ich genug gehört für heute“, sagte Willy. „Lasst uns doch lieber mal das Schneewittchen herholen mit deinem verrückten Märchenbuch“, meinte Zwitschi. „Kommt nicht infrage“, knurrte Puh, „Das Schneewittchen passt bestimmt nicht in mein Zwergenhaus.“ „Und ob das Schneewittchen in dein Zwergenhaus passt“, konterte Zwitschi, „das beweist doch die Geschichte.“ „Aber dieses Zwergenhaus ist nicht mein Zwergenhaus“, gab Puh zu bedenken. „Ob dein oder irgendein Zwergenhaus, das ist doch vollkommen schnurz.“ „Und was soll das Schneewittchen hier, meinen Haushalt führe ich schon alleine“, brummelte Puh. „Ein Pfannkuchen für drei sagt mehr als tausend Worte“, sinnierte Zwitschi, „Jedenfalls, soll uns das Schneewittchen ein Blech von ihrem köstlichen Kuchen vorbeibringen.“ „Ich hab noch nie gehört, dass Schneewittchen für die sieben Zwerge Kuchen gebacken hat“, gab der Wichtel staunend zurück. „nicht nur für die sieben Zwerge“, wusste Zwitschi zu berichten, „sie betreibt inzwischen die größte Bäckerei im ganzen Märchenland.“ „HÄ?“, fragte Puh. “Hä, hu, hä?“, stutzte Willy. Man, waren die Zwei heute schwer von Begriff. „Und was glaubt ihr, wer den berühmten Schneewittchenkuchen erfunden hat?“ „Schneewittchenkuchen“, schnappte Willy nach Luft. „Ja Schneewittchenkuchen, ein Rührteig so luftig wies nur geht, darauf Kirschen rot wie ihre Lippen, eine Buttercreme, so weiß wie ihre zarte Haut und ein Schokoladenguss, schwarz wie ihr schönes Haar“, erklärte Zwitschi. Er verstand nur nicht, wieso es überhaupt einer Erklärung bedurfte. Schließlich mussten sich diese Tatsachen doch längst herumgesprochen haben. „Ich dachte Schneewittchen ist das Märchen mit dem Apfel“, warf Willy vorsichtig ein. „Was für ein Apfel?“, fragte Zwitschi verdattert, „seit Jahr und Tag wird Schneewittchenkuchen mit Kirschen gebacken, na gut, alternativ gehen auch Erdbeeren.“ Da klopfte es an die Tür.
„Schneewittchen!“, rief Zwitschi begeistert und flog hinter Puh her. Vor der Tür stand Luzie, einen Regenschirm in der Linken, ein Körbchen in der rechten Hand. Es duftete nach Matschwetter und frischen Pfannkuchen. „Hallo SchneeLuzchen“, wurde sie von Zwitschi begrüßt, der begierig um das Körbchen tanzte. „Was ist denn mit dem los?“, erkundigte sich das Wichtelfräulein. „Frag lieber nicht“, empfahl ihr Puh und nahm ihr Regenschirm und Mantel ab. „Du verströmst einen herrlichen Duft“, begrüßte sie Willy. „Danke, das ist ‚Flowers-Explosion‘, mit einer Herznote aus Wasserlilie und Freesie“, strahlte Luzie. Wenigstens gefiel dem Kauz ihr neues Parfüm. „Ich meinte eigentlich die Pfannkuchennote, die du ins Haus gebracht hast“, raubte ihr Willy die Illusion. Na gut, etwas anderes war in diesem Männerhaushalt ja wohl auch nicht zu erwarten gewesen, wenn man es realistisch betrachtete. „Gemütlich habt ihr's hier“, sagte sie lächelnd. „wir sind gerade mitten in einer ziemlich verrückten Märchenstunde“, berichtete Willy. „Da bin ich ja genau richtig gekommen, um sie euch mit ein paar frischen Pfannkuchen zu versüßen.“ „Das ist wirklich wie im Märchen mit dir liebe Luzie“, piepste Zwitschi vergnügt und Willys Augen begannen bei der Aussicht auf Pfannkuchen zu funkeln. Bald darauf erfüllte der Duft von frisch gebrühtem Tee den ganzen Raum und Puh brachte ein Tablett an den Tisch.
„Nun will auch ich euch mal ein schönes Märchen erzählen“, sagte Luzie, „wenn ihr noch Lust auf ein Märchen habt.“ Die Drei hatten ihr vom Froschkönig erzählt und Zwitschis schräge Geschichte vom Schneewittchen. „Na klar Luzie, fang an, wir sind schon ganz gespannt“, flötete Zwitschi und kuschelte sich dicht an ihren rosa Kaschmirpullover. War der weich, sogar weicher als seine Federn, auch wenn er es äußerst ungern zugab. „Also gut, ich erzähle euch nun das Märchen vom Wolf und den sieben Geißlein.“ „Solange du es nicht aus diesem verrückten Märchenbuch vorliest, mag's sein“, meinte Willy.
Es war einmal eine Geiß, die hatte sieben junge Geißlein. Eines Tages ging sie mit einer Kiepe hinaus aufs Feld, um frischen Salat zu holen. Sie traf auf den Wolf. Der sprach: „Ach liebe Geiß, lass mich die Kiepe zu deinen Jungen tragen. Sie ist für dich doch viel zu schwer.“ Die Geiß bedankte sich beim Wolf und verabschiedete sich zum Yoga-Kurs. Der Wolf befand, dass zu einer ausgewogenen Ernährung nicht nur Salat gehörte und tat noch sieben Möhren und ein paar Radieschen obendrauf. Dann klopfte er ans Geißenhaus. Die Geißlein wollten ihn nicht einlassen, weil er die Milch vergessen hatte. Und so lief er zum Milchbauern ins Nachbardorf und kaufte frische Milch. Als er aber zum Haus zurückkam, ließen ihn die Geißlein immer noch nicht ein, weil die Erdbeeren fehlten. Also ging er noch kurz in den Bioladen gegenüber und kaufte welche. Nun wurde ihm die Tür aufgetan. Die Geißlein machten sich über das Gemüse, die Erdbeeren und die Milch her und der Wolf freute sich, dass es ihnen so wohl schmeckte. Dann fragte er die Sieben, ob sie denn ihre Hausaufgaben gemacht hätten. Da hättet ihr sie sehen müssen. Wild sprangen sie umher und versuchten sich zu verstecken. Unter der Waschschüssel, unterm Tisch, im Schrank, im Bett. Der Wolf hatte alle Mühe sie wiederzufinden und sie um den großen Tisch zu versammeln. Dort teilte er die Schulhefte aus. 1, 2, 3, 4, 5, 6 … Wo zum Kuckuck war das siebte Geißlein abgeblieben? Der Wolf suchte es, konnte es aber nicht finden. In dieses Chaos platzte die Geißenmutter. Sie hatte ihre Beine erfolgreich entknotet und sah dem Treiben tiefenentspannt zu. Lachend sagte sie: „Du hast versucht, sie dazu zu bringen, ihre Schularbeiten zu machen, stimmt's?“ Der Wolf schwitzte und keuchte vor Anstrengung, schaffte es aber noch, ihr geschwächt von der Sucherei, zuzunicken. Die Geiß schmunzelte und zog den Uhrenkasten auf. „Denk dir mal ein neues Versteck aus“, sagte sie zum jüngsten Geißlein, „und jetzt marsch an den Tisch und hübsch gerechnet.“ Dann räumte sie auf, kochte dem Wolf einen Haferbrei zur Stärkung und wenn die sieben Geißlein die Aufgaben nicht lösen konnten, so rechnen sie noch heute.
„Das war eine schöne Geschichte“, war Willy verzückt, „nicht dieser übliche Quark, bei dem die Geißlein gefressen und durch Wackersteine ausgetauscht werden.“ „Und der Wolf muss auch nicht im Brunnen ertrinken“, ergänzte Zwitschi. „Ja, Luzies Geschichte gefällt mir auch sehr gut, beinahe so gut wie ihr neues Parfüm - ‚Flowers-Explosion‘, nicht wahr“, erkundigte sich Puh. Luzie lächelte still. Es gab doch noch Hoffnung.
Und wenn es in der Zwischenzeit nicht aufgehört hat zu Schneeregnen erzählen sich die Vier bestimmt noch heute die verrücktesten Geschichten.