Donner, Blitz und Wolkenbruch!

"Da habe ich mir ja genau den richtigen Tag für unser erstes Date ausgesucht", dachte Zwitschi der kleine blaue Vogel und sandte wütende Blicke in den von Regenwolken verhangenen Himmel. Nun hatte er sich endlich dazu entschlossen, der hübschen schwarzen Krähe Gundula schöne Augen zu machen und nun schien sein Plan ins Wasser zu fallen. "so ein Mistwetter", schnaufte die Krähe missgestimmt und setzte zur Landung neben den Brombeerbüschen an, nachdem sie gerade einmal 5 Minuten unterwegs waren. So hatte er sich ihren Spazierflug nicht vorgestellt und sie wohl auch nicht. Zwitschi blieb nichts anderes übrig, er musste ebenfalls landen. Vielleicht konnte er sie ja wenigstens mit einer besonders hohen Spritzwasserfontaine beeindrucken. Einen Versuch war es allemal wert. "Schau mal, Gundula", rief er und ließ sich in die größte Pfütze fallen. "Pfui!", rief Guri, die Taube, entsetzt. Ihr schönes weißes Gefieder war braun gesprenkelt. Auch Guru, der Täuberich, besah sich missmutig. Er legte ebenfalls viel Wert auf ein gepflegtes Äußeres, zumindest eins ohne Schlammspritzer. Zwitschi starrte die beiden entgeistert an. Was machten die eigentlich hier? Ach ja, er hatte sie selber darum gebeten, ihn zu begleiten, damit das Offensichtliche nicht allzu offensichtlich wurde. Schließlich schwärmte der kleine Vogel schon seit langem für die wunderschöne Krähe. Aber er hatte die Tauben auf keinen Fall darum gebeten, seine Wasserlandung zu kritisieren. Und was machte Gundula? Ihr schien sein Sprung, mit dem Hintern voran, zumindest ein wenig zu imponieren. Ja, sie schien seine Landung sogar zu bewundern, denn sie nickte anerkennend. Na bitte, hatte er es doch gewusst, er hatte es eben drauf. Laut zwitschernd schlug er mit den Flügeln auf das Wasser. Schmutzwasserfontainen spritzten auf die beiden Tauben nieder. "Hör damit auf, du ruinierst meine Federn ja noch mehr", zankte Guri. "Braun ist doch 'ne tolle Farbe", gab Zwitschi ungerührt zurück, "und so modern. Also mir gefällt's jedenfalls!" "Ich dachte, deine bevorzugte Farbe ist schwarz", konterte Guri. Musste ihn diese verflixte Taube in eine solche Verlegenheit bringen? Da konnte er sich ja gleich ein Schild mit der Frage "Gundula, willst du mit mir geh'n" umhängen. Der kleine Vogel erhob sich etwa einen halben Meter in die Luft und ließ sich abermals in die größte aller Pfützen plumpsen. "Zwitschi!", Gundula schrie auf. Ihr war das Regenwasser in die Augen gespritzt. Mit ihren Flügeln versuchte sie es heraus zu wischen.

Na das lief ja prächtig! Jetzt hatte er auch noch seine Angebetete verärgert. Zwitschi wusste plötzlich, dass er mit seiner Wassergymnastik bei Gundula keinen weiteren Punkt sammeln konnte. Deshalb fragte er keck: "das mit unserem Sonnenbad scheint wohl heute ins Wasser zu fallen?" So ein flotter Spruch machte bestimmt Eindruck auf die Krähe. Er war locker, flockig witzig, einfach genial ... Aber was war das? Auf jeden Fall nicht Gundula. "Wie kommst du bloß auf so was?", entgegnete Guri verbittert. Wer hatte die denn gefragt. Zwitschi hatte gehofft, Gundula würde ihm ein Lächeln schenken, stattdessen meldete sich diese verflixte Taube schon wieder zu Wort. Hätte er sie bloß nicht mitgenommen. Wieso um alles in der Welt hatte er sie überhaupt eingeladen. Ach ja, es war unverfänglicher gewesen. Zwitschi sah Gundula möglichst unauffällig in die Augen. War da etwas aufgeblitzt, hatte ihr sein Spruch vielleicht doch gefallen. Er konnte es nicht sagen. Am besten war es, wenn er noch einmal kräftig nachlegte: "Suchen wir uns am besten ein Trockendock", meinte er und beobachtete die Krähe ganz genau. Ja, sie lächelte und nickte. Zwitschi registrierte es mit Wohlgefallen.Es hatte schon mal schlechter für ihn ausgesehen.

Die vier Vögel erhoben sich und flogen an den Rand der großen Wiese, wo die hohen Bäume ihre gewaltigen Äste weit in den Himmel streckten. "Schaut mal, schaut", rief Zwitschi. "Da ist ja der Schneckenpilz!" Tatsächlich! Da stand er. So schön wie eh und je. Was für ein wundervoller großer Birkenpilz. "Wir passen alle darunter", rief die Krähe begeistert. "Wieso willst du denn unter den Pilz, die Bäume bieten doch auch genügend Schutz?", fragte Guru. "Weil schon so viele dicke Tropfen an den Blättern hängen, dass sie uns auf den Kopf fallen werden, sobald wir dort Schutz suchen", erklärte Gundula. "Stimmt, unter dem Pilzhut sieht es schön trocken aus", sagte Guri. Was war sie doch für ein kluges Köpfchen, diese Krähe, dachte Zwitschi und sein Herz pochte laut, während er zu Boden glitt. Er wünschte, er könnte auch so etwas Kluges sagen, aber was? Hilflos wippte er mit der Schwanzfeder. Er grübelte angestrengt darüber nach, aber ihm fiel nichts ein. O nein, jetzt hatte er auch noch vergessen, sich von der Stelle zu rühren. "Nun komm endlich, sonst kann dich Puh nachher wie einen Waschlappen auswringen", forderte ihn Guri auf. Was sollte das nun schon wieder. Konnte diese verflixte Taube nicht einfach mal den Schnabel halten. Und dieser Vergleich mit einem Waschlappen! Unpassender ging es wohl nicht! "Nun komm schon Zwitschi", rief Guri erneut, "du weichst uns hier noch völlig durch." Was kümmerte sie sein nasses Gefieder. Er würde jedenfalls hier so lange sitzen, bis Gundula ihn fragte, ob er nicht unter den trockenen Pilzhut schlüpfen wollte. Er sah schmachtend zur Krähe hinüber. Was tat sie gerade? Sie plauschte munter mit Guru. Sie hatte offenbar gar nicht bemerkt, dass er hier im Regen saß und seine Federn schon völlig durchnässt waren. Vermutlich konnte er noch lange warten, dass sie ihn unter den Pilz bat. Widerwillig setzte er sich in Bewegung. Das war es also, sein erstes Rendezvous, er war verliebt bis in die hinterletzte Federspitze und seine Auserwählte schien das nicht zu kümmern.

Als sie schließlich alle unter dem Pilz versammelt waren, dessen riesiger Hut sie vor dem Regen schützte, rückten alle ein wenig von Zwitschi ab, denn der kleine Vogel triefte vor Nässe. Na gut, sollten sie doch abrücken. Er konnte Gundula schließlich auch aus der Ferne betrachten. Verstohlen warf er ihr kurze Blicke zu. Nichts. Sie wurden nicht erwidert. Wie schade! Hatte er sich vorhin getäuscht? Gefiel er ihr nicht? Und wenn ja, woran konnte das liegen? Warscheinlich daran, dass er nichts zu sagen wusste. Aber in seinem Kopf fuhren die Gedanken Karusell. Er versuchte zu erlauschen, was sie die ganze Zeit mit Guru zu besprechen hatte. Aha, Rezepte für Erdbeertörtchen wurden ausgetauscht! Nicht sein Thema, er konnte Erdbeertörtchen nur aufknuspern. aber das mit und ohne Sahne. Guri interessierte sich ebenfalls nicht für Erdbeertörtchen. Etwas anderes hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. Neugierig drehte sie sich zum Fenster des Schneckenhauses herum. "Jetzt wollen wir doch mal sehen, was es bei Familie Schnecke Neues gibt", verkündete sie laut. Zwitschi dankte ihr im Stillen für diese Ablenkung. "Das kann doch nicht dein Ernst sein. Überleg doch mal, das würde dir doch auch nicht gefallen, wenn jemand in unser Nest schauen würde", meinte Guru, vergaß seinen Plausch mit Gundula und wandte sich der Taube zu. "Das wäre mir egal, ich lasse schließlich nicht überall meine Bettsocken herumliegen", sagte Guri. Guru plusterte wütend seine Federn auf, denn er befürchtete, dass Zwitschi etwas von seinen Schlafgewohnheiten erfahren hatte und wenn Zwitschi es wusste, dann wusste es Willy Kauz und wenn der es wusste, dann war diese Information nur noch eine Feder breit von Paul Kauz entfernt. Und wenn der es erst mal wusste, dann wusste es der ganze Zauberwald. Wie peinlich. Aber Zwitschi hatte es nicht gehört, er sah Gundula sehnsüchtig von der Seite an. Die Krähe schien es allerdings nicht zu bemerken.

Guri hatte inzwischen durch das Fenster geschaut. "Eins, zwei, drei ...", zählte sie. "Was zählst du da?", wollte Gundula wissen und stürzte zu ihr ans Fenster. Natürlich war auch sie interessiert. "Also, was zählst du?" "Sieben, es sind sieben", rief Guri. "Sieben was", Zwitschi hielt es vor Neugier nun auch nicht mehr aus. Aufgeregt trat er von einem Fuß auf den anderen. "Sieben kleine Schnecken!", Guri strahlte. "Nachwuchs! Die Schnecken haben Nachwuchs. Und wie niedlich die kleinen Schnecken sind. Schaut mal, ihre Häuser sind purpurrot", rief Gundula begeistert. Jetzt hielt auch Zwitschi nichts mehr. Er drängelte so lange, bis er den besten Blick in den Pilz erhascht hatte. "Sieben", staunte er, "wirklich, es sind sieben." "Glaubst du etwa, ich kann nicht zählen?", fragte Guri. "Ich hielt es eben für besser, noch einmal gründlich nachzuzählen", sagte Zwitschi und legte den Kopf schräg. Guru zischte ihnen zu, dass sie nun endlich verschwinden solllten, bevor die Schnecken etwas von ihren neugierigen Blicken mitbekamen. "Wo waren wir vorhin gleich stehen geblieben?", fragte Gundula und wandte sich dem Täuberich zu. "Bei Erdbeertörtchen mit Schlagsahne", erwiderte der mit glänzenden Augen. "Ach ja stimmt", sagte Gundula, "in meinem Nest gibt es zufällig 8 Stück von diesen Köstlichkeiten. Ich lade euch alle herzlich dazu ein. Du kannst sie gerne nachzählen, wenn du magst, Blaufederchen und dann können wir sie durch vier teilen. Was meinst du?" Zwitschi wusste nicht so recht, was er sagen sollte. Gundula waren seine Rechenkünste nicht entgangen. Und obendrein hatte sie ihn auch noch Blaufederchen genannt. Blaufederchen, das klang wie Musik, die ihn von innen wärmte. Er schmolz nur so dahin und ehe er es verhindern konnte, war ihm: "Nichts lieber als das, meine kleine schwarze Prinzessin", aus dem Schnabel geschlüpft. Wie peinlich! Am liebsten hätte er sich tief in den Boden eingegraben. Aber Gundula strahlte und Guri? Sie schien zu nicken. Für ein erstes richtiges Date war das gar nicht übel. Und der Regenbogen, der die Vier auf ihren Flug ins Krähennest begleitete, schien vom einer beginnenden Romanze zu erzählen. Hoffentlich erzählte er nicht Paul Kauz davon.